Prof. Dr.-Ing. Jürgen Pietsch hat Hoffnung für den Dieselmotor – Die Pflanzen ernähren sich von Stickoxiden
Von Wolfgang Becker
Er ist immer für Überraschungen gut: Dr.-Ing. Jürgen Pietsch, emeritierter Professor der TUHH und der Hafencity-Universität, hat soeben eine Unternehmensgründung in China angeschoben, um bei der Bekämpfung von dicker Luft in Innenstädten, aber auch in geschlossenen Räumen zu helfen. Dabei setzt er auf biologische Helfer: Bei der Senkung der Feinstaubbelastung in Metropolregionen und Mega-Cities soll Moos zum Einsatz kommen. Der Clou: Moos ernährt sich unter anderem von Stickoxiden, wäre also der natürliche Verbündete des Dieselmotors.
Auslöser dieser eher unkonventionellen Business-Idee war ein koreanischer Freund, der vor zwei Jahren bei Pietsch nachfragte, ob es nicht eine Pflanzen-Lösung zur Bekämpfung des Smogs aus dem benachbarten China gebe. Der Professor: „Ich habe Nachforschungen angestellt und bin auf Unternehmen gestoßen, die Mooswände zur Feinstaubbekämpfung verkaufen. So eine fünf Quadratmeter große Mooswand wird da schon mal für 25 000 Euro angeboten. Nach meinen Berechnungen ist das sehr teuer und viel zu klein, um einen spürbaren Effekt zu erzielen. Deshalb habe ich ein neues System entwickelt.“
Mittlerweile hat Pietsch zwei Patente angemeldet. Seine Idee: Wenn Moos als Bio-Filter für Feinstaub Wirkung erzielen soll, dann muss der Smog quasi durch die Pflanzen hindurchwehen. Anstelle der vertikalen Wände will er horizontal Regalkonstruktionen aufstellen – vorzugsweise dort, wo der Feinstaub entsteht. Das könnten beispielsweise die Mittelstreifen vielbefahrener Straßen und Autobahnen sein. Und: Die Pflanzen müssen perfekte Lebensbedingungen erhalten, also automatisiert befeuchtet werden. Pietsch geht davon aus, dass in einer Metropolregion wie Hamburg mehrere 100 000 Quadratmeter Wirkfläche mit verschiedenen Moosarten verteilt werden müssten, um so viel Feinstaub zu absorbieren, dass ein deutlicher Effekt nachweisbar ist. Da die Räume in einer Stadt komplett offen sind und die Witterungsverhältnisse schwanken, kann so ein Nachweis allerdings nur mit Langzeitstudien erbracht werden. Die gibt es noch nicht.
Appetit auf Feinstaub – Moos mag sogar Stickoxide
Er ist zwar schon seit fünf Jahren emeritiert, aber Prof. Dr.-Ing. Jürgen Pietsch ist immer noch für Überraschungen gut. Zwei Jahre lang hat er eine Geschäftsidee verfolgt, die zwar nicht ganz neu ist, in dieser Form jedoch bahnbrechend sein könnte: Die Senkung der Feinstaubbelastung in Metropolregionen und Mega-Cities durch natürliche Filteranlagen, die mit Moos bestückt sind. Da das System laut Pietsch auch in geschlossenen Räumen wirkt, hat er für Deutschland bereits zwei Patente in der Schublade, Patente für China, Korea, Österreich und die Schweiz sind angemeldet. Den Impuls zum Aufbau von „Smart Eco Technologies“ gab vor zwei Jahren ein Freund aus Korea, der gepeinigt vom „Yellow Dust“ aus China bei Pietsch anrief und nachfragte, ob es nicht möglich sei, Feinstaub durch Vegetation zu binden. Der Anruf löste eine umfassende Recherche aus.
Pietsch, der vor einigen Jahren mit einer „Landbrücke“ für Schlagzeilen sorgte, durch die der Schwarzenberg in Harburg mit dem Binnenhafen verbunden werden sollte, erzählt: „Immer im Februar und im März haben die Koreaner erhebliche Feinstaubprobleme, weil die dann auftretenden Winde den Smog aus China herüberpusten. Die Belastungen sind exorbitant hoch und mit den unsrigen gar nicht zu vergleichen. Ich habe nach dem Anruf Nachforschungen angestellt und bin auf Unternehmen gestoßen, die Mooswände zur Feinstaubbekämpfung verkaufen. So eine fünf Quadratmeter große Mooswand wird da schon mal für
25 000 Euro angeboten. Nach meinen Berechnungen ist das sehr teuer und viel zu klein, um einen spürbaren Effekt zu erzielen. Deshalb habe ich ein neues System entwickelt.“
Pietsch geht davon aus, dass in einer Metropolregion wie Hamburg mehrere 100 000 Quadratmeter Wirkfläche mit verschiedenen Moosarten verteilt werden müssten, um so viel Feinstaub zu absorbieren, dass ein deutlicher Effekt nachweisbar ist. Da die Räume in einer Stadt komplett offen sind und die Witterungsverhältnisse schwanken, kann so ein Nachweis allerdings nur mit Langzeitstudien erbracht werden. Die gibt es noch nicht.
Von Luft durchströmt
Trotzdem: Die Smog-geschädigten Asiaten setzen auf Moos als Filtermedium und auf den deutschen Ingenieur. In Korea steht die Gründung von zwei Unternehmen bevor, in China hat Pietsch im Mai bereits eine Firma in Shanghai mitbegründet. Er sagt: „Mit Moosflächen, die irgendwo aufgestellt werden, ist der Feinstaub kaum zu bekämpfen, denn der Kontakt ist nicht intensiv genug. Deshalb habe ich eine Art Regalsystem entwickelt, das auf natürliche Weise von der Luft durchströmt wird und beispielsweise auf den Mittelstreifen großer Straßen montiert werden könnte.“ Ideal sei auch der Bau von Moosfassaden für häufig offen konstruierte Parkhäuser (Parkpaletten), durch die bekanntlich immer der Wind „pfeift“. In Neugraben (Hamburg-Harburg) soll im Rahmen des EU-Projekts Clever Cities möglicherweise ein Feinstaubfilter auf Moosbasis realisiert werden, wie Pietsch verrät.
Und er erklärt: „Moos ernährt sich aus Mineralien, die in der Luft vorkommen – also aus Feinstaub, wenn man so möchte. Stickoxide, wie sie der Dieselmotor ausstößt, sind da geradezu Dünger. Natürlich nur bis zu einer bestimmten Dosierung, aber die Feinstaubbelastungen, über die wir in Deutschland reden, sind da wirklich keine Bedrohung.“ Er geht davon aus, dass sich ein Quadratmeter Moosfläche inklusive Bewässerung und Montage für 200 Euro aufstellen lässt. „Damit wären wir deutlich günstiger als die handelsüblichen Wände.“
Hightech aus Harburg
Den Kontakt mit Shanghai nahm Pietsch übrigens über einen ehemaligen TUHH-Studenten, der aus China stammt, auf. Seine koreanischen Partner, die den Stein ins Rollen brachten, sind von der Idee so angetan, dass sie nun auch Indoor-Feinstaubfilter haben möchten. Der 70-Jährige: „Das System ist anders aufgebaut, denn mit dem Moos sollen Raumobjekte gestaltet werden, die auch optisch etwas hermachen. Das kann man sich so ein bisschen wie eine kleine grüne Landschaft vorstellen, die mit feinem Wassernebel besprüht wird. Der Feinstaub wird im Nebel und im Moos gebunden.“ Das patentierte System trägt den Namen Smart Eco Air Health SEAH. Die Outdoor-Variante für Stresemannstraße & Co. heißt Smart Eco Fine Dust Absorptions-Modul SE FAM. In beiden Systemen steckt auch Harburger Hightech: nämlich Sensoren zur Messung der Luftqualität von Breeze, einem startup aus dem Binnenhafen. Auch die Feuchtigkeit des Mooses wird über Sensoren gemessen und für die optimale Feinstaubaufnahme eingestellt. Kurioserweise erhielte ausgerechnet der Diesel-Motor Unterstützung aus der Natur, wenn sich das Pietsch-System im großen Stil realisieren ließe . . .