Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament haben sich Mitte Februar auf eine Reform des Urheberrechts verständigt. Es ist das vorläufi ge Ende eines Prozesses, der 2016 in Gang gesetzt wurde. Während Kritiker nun das freie Internet in Gefahr sehen, hoffen Optimisten auf ein „Ende des Wildwest im Internet, bei dem Rechte-Inhaber bisher oft untergebuttert werden“.
Der Auslegungsstreit dreht sich im Kern um Artikel 11, mit dem die EU ein Leistungsschutzrecht schafft, und um Artikel 13, mit dem Betreiber von Internetplattformen die Haftung für die bei ihnen hochgeladenen Inhalte übernehmen müssen. Ob sie dafür technische Möglichkeiten wie die Installation von sogenannten Upload-Filtern nutzen, die Urheberrechtsverletzungen automatisch erkennen, oder Lizenzvereinbarungen mit den Urheberrechtsinhabern schließen, ist ihnen freigestellt. Das Leistungsschutzrecht sieht jedoch vor, dass Angebote wie Google News, Apple News oder auch Facebook künftig Medienunternehmen dafür bezahlen, wenn sie deren Artikel nutzen. Wie bei jedem Kompromiss gibt es eine Reihe von Detailregelungen und Ausnahmen. So gelten die Vorgaben zum Beispiel nicht für Plattformen, die jünger als drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro haben und von weniger als fünf Millionen Nutzern im Monat besucht werden.
Beschlossen ist die Reform mit der Einigung noch nicht. Die neue Richtlinie muss vom Parlament und den Regierungen im Europäischen Rat beschlossen und in den nächsten zwei Jahren in nationales Recht überführt werden. Da kann noch einiges passieren, denn es geht um Grundsätzliches. Es geht um die Frage, ob das gesellschaftliche Leben zukünftig durch demokratische Prozesse oder durch Shitstorms, Fake News und Kampagnen bestimmt wird. Von der Antwort auf diese Frage hängt letztlich ab, ob Kreativität und Meinungsfreiheit erhalten bleiben.
Geschäftsmodelle, die Urheberrechte missachten und der Manipulation gesellschaftlicher Meinungsbildung dienen, sind mit Demokratie und Bürgerrechten unvereinbar. Insofern ist es richtig, dass die EU mit den neuen Regeln für das Urheberrecht die politische Initiative ergreift. Wie in anderen Politikfeldern auch, ist der nationale Handlungsrahmen hierfür zu klein. Andererseits können wir vor Ort viel dafür tun, dass Anwendungen im Internet dem gesellschaftlichen Fortschritt dienen. Sei es durch Prozessoptimierung und Schonung endlicher Ressourcen oder eine höhere Qualität des Contents.
Im Rahmen unseres Accelerators „Elevator LG“ mit dem Themenschwerpunkt IT/Medien suchen wir nach diesen Geschäftsmodellen und motivierten Teams aus der Startup-Szene. Sie nutzen das Internet als Online-Kanal zur Vermarktung innovativer Produkte oder arbeiten an neuen Diagnoseverfahren und werden dabei von uns intensiv begleitet. Die technischen Entwicklungen der letzten Jahre bieten viel Raum für Kreativität. Dennoch sollte nicht alles, was machbar ist, auch möglich sein. Man kann es nicht schöner sagen als Wolf Lotter in seinem Text „Der Golem und du“. Dort heißt es: „Unser Hirn rettet unseren Hintern. Das gilt auch, wenn das, was uns bedroht, unser eigenes Werkzeug ist.“