Die Zukunft hat begonnen – zumindest die Diskussion darum, wie sich Bremerhaven und das Land Bremen entwickeln sollen. In die Aufbruchstimmung mischen sich auch kritische Fragen.
Der Lockruf des Geldes ist nicht zu überhören. Ab 2020 bekommt das Land Bremen pro Jahr 500 Millionen Euro mehr vom Bund und den anderen Bundesländern. Nachdem die Politik jahrelang zum Sparen verdonnert war, haben längst die Diskussionen begonnen, wie der frische Geldsegen genutzt werden kann. Schon heute steht fest, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der zusätzlichen Mittel in den Sozialbereich, in Schulen und in Kindertagesstätten fließen wird. Daran lassen weder Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz noch Bremens Regierungschef Carsten Sieling Zweifel.
Im breiten Konsens
Die Verteilung des Restes wollen Magistrat und Senat aber im breiten Konsens regeln: Seit einem Jahr befassen sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft im Projekt 2035 mit den potenziellen Investitionsschwerpunkten. Wieviel tatsächlich in den Wirtschaftsstandort und die Basis für Steuereinnahmen fließen wird, ist aber noch unklar. Für Wirtschaftssenator Martin Günthner ist der kommende Geldfluss eine Chance, die ökonomische Entwicklung Bremerhavens ähnlich wie in der jüngeren Vergangenheit voranzutreiben. „Wir haben Bremerhaven in den vergangenen 17 Jahren aus dem Tal der Tränen herausgeholt“, ist er überzeugt. Jetzt gelte es, in den kommenden 17 Jahren ähnliche Impulse für den Strukturwandel zu setzen.
Auf dem Weg in die Zukunft
Zu den wenigen konkreten Zielen auf dem Weg in die „Zukunft 2035“ zählt das Thema Green Economy. Auf der Luneplate soll ein Gewerbegebiet entstehen, das selbst nach Kriterien der Nachhaltigkeit gestaltet wird und für Unternehmen gedacht ist, die sich mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen beschäftigen. Das „LuneDelta“ gilt als erstes Gewerbegebiet dieser Art in Deutschland, ist aber innerhalb des Landes Bremen nicht unumstritten. Die Opposition in der Bürgerschaft erwartet, dass die „grünen“ Zielsetzungen aufgegeben werden, falls sich Unternehmen beispielsweise aus dem Schwermaschinenbau für das Areal interessieren.
Zudem ist selbst Projektteilnehmern unklar, ob „Zukunft 2035“ bereits beschlossene, aber noch nicht realisierte Infrastrukturmaßnahmen umfasst. Konkret geht es um den Offshore Terminal Bremerhaven (OTB) – der Spezialhafen für die Windkraftindustrie blieb im Genehmigungsverfahren stecken. Während Günthner versichert, das Land bleibe bei seinen OTB-Beschlüssen, finden sich in den bisherigen Ergebnispapieren des Zukunftsprojektes keine klaren Aussagen zu dem Terminal vor dem Fischereihafen. Das kritisiert unter anderem die Handelskammer Bremen.
Ziel: Um mehr als 10.000 Einwohner wachsen
Möglicher Verwendungszweck der erwarteten Ländermillionen könnte auch der Wohnungsbau sein. Bremerhaven will bis zum 200-jährigen Stadtjubiläum 2027 um mehr als 10.000 Einwohner wachsen. Allerdings sehen der Oberbürgermeister noch die Städtische Wohnungsgesellschaft Stäwog einen besonderen Bedarf an gefördertem Wohnraum: „Die Mieten in der Stadt sind so niedrig, dass wir gar keine Sozialwohnungen benötigen“, argumentiert Grantz. Stäwog- Chef Siegfried Lückehe ergänzt: „Wir haben hier einen ganz anderen Wohnungsmarkt als beispielsweise in Bremen“, der durch höhere Mieten und Wohnungsknappheit geprägt sei.
Für Grantz und Lückehe ist es wichtiger, bestehende Viertel wie das Goethe-Quartier im Stadtteil Lehe zu fördern. Derzeit werden in Bremerhaven Wohnungen überwiegend von privaten Investoren gebaut. Allerdings beklagt die Stadt den hohen Einpendleranteil in der Bremerhavener Wirtschaft. Fast die Hälfte der Arbeitnehmer in Bremerhavener Unternehmen wohnt außerhalb der Stadt und zahlt dort auch seine Steuern. (heu)