Sp(r)itzentechnik made in Buxtehude
Im Januar/Februar ist Hochsaison für Frank Schock. Nicht etwa weil es dann erwartungsgemäß schneit, sondern weil voraussichtlich auch im nächsten Jahr zur selben Zeit Schnee in der Luft liegen könnte. Schock ist unter anderem für den Vertrieb von Airporttechnik bei der Herbert Dammann GmbH in Buxtehude-Hedendorf zuständig. Oder anderes ausgedrückt: Er sorgt dafür, dass zum Beispiel Paris-Besucher auch bei Schnee und Eis auf den Flughäfen Charles de Gaulle und Orly starten können, denn Dammann liefert nicht nur die berühmte Pflanzenschutztechnik an Kunden in aller Welt – nach demselben technischem Prinzip werden auch die Start- und Landebahnen sowie die sogenannten Taxiways, Rollfelder und Stellplätze auf Flughäfen in aller Welt enteist.
Der „Airport De-Icer“ von Dammann ist überall dort im Einsatz, wo auf den sogenannten Flugverkehrsflächen winterliche Verhältnisse zu erwarten sind. Auf dem Helmut-Schmidt-Flughafen in Hamburg sind die Maschinen bereits um vier Uhr im Einsatz, wenn die Meteorologen Reifglätte voraussagen. Für diese Zwecke baut Dammann in Hedendorf Technik in verschiedenen Varianten. Hintergrund: Auch die Trägerfahrzeuge sind durchaus unterschiedlich. Da gibt es den reinen Enteiser mit bis zu 45 Meter Auslegerbreite ebenso wie das Kombifahrzeug, das Schnee räumen, die Fahrbahn bürsten und zugleich trocken blasen kann und dann noch Enteiserflüssigkeit (Liquid) versprüht. Schock: „Jeder Flughafen hat da so seine Eigenheiten. Russische Piloten landen auch auf einer festgefahrenen Schneedecke, in anderen Ländern ist man da eher vorsichtig. Wir haben für jede Fläche das passende Angebot und entsprechend viele Modelle.“
Eine teure Angelegenheit
Die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs hat für jeden Flughafen höchste Priorität. Der vorbeugende Einsatz von Enteisern ist deshalb an der Tagesordnung. Schock: „Der schlimmste Fall ist eingetreten, wenn sich auf den Flächen eine Eisschicht gebildet hat – beispielsweise nach Eisregen. In extremen Fällen arbeiten wir dann mit Granulat und Liquid.“ Versprüht wird Kaliumforminat und -acetat. Ersteres ist verdünnte Ameisensäure. Ein vergleichsweise teurer Stoff, denn ein Liter der Enteiserflüssigkeit kostet etwa so viel wie ein Liter Diesel; die Tanks der Spühmaschinen fassen bis zu 12 000 Liter. Schnee und Eis führen auf den wintergefährdeten
Flughäfen je nach Größe zu immensen Kosten. Frank Schock: „Einmal Sprühen hält die Flächen für etwa drei Stunden frei. Danach wird die nächste Ladung fällig. Allein am Flughafen Frankfurt kommen pro Jahr im Schnitt 2,5 Millionen Liter Enteiser zum Einsatz. In München sind es sogar 3,2 Millionen. In Hannover ist es noch komplizierter: Da muss die Enteiserflüssigkeit durch ein Drainagesystem aufgefangen und anschließend teuer entsorgt werden – das kostet zweimal.“ Diese Zahlen signalisieren: Wem es gelingt, die Verteilung der Flüssigkeit exakt zu steuern und die ausgebrachte Menge zu minimieren, der kann dazu beitragen, die Enteiserkosten möglichst gering zu halten. Das ist die Steilvorlage für Dammann, in fast vier Jahrzehnten Erfahrung bei Bau von Spritzen für den Pflanzenschutz in der Landwirtschaft hat das Unternehmen eine ausgefeilte Technologie entwickelt. Schock: „Wir garantieren eine hochpräzise Ausbringung von 20 Gramm pro Quadratmeter mit einer Abweichung von maximal plus/minus vier Prozent. Und das auf der gesamten Auslegerbreite von 45 Metern.“
Bis auf 20 Zentimeter genau kann das Fahrzeug gesteuert werden. Satellitenüberwachung macht es möglich, die äußeren Sprühdüsen abzuschalten. Das sorgt dafür, dass auf den überlappenden und bereits enteisten Nachbarflächen nicht doppelt besprüht wird. Bis auf 20 Zentimeter genau kann das Fahrzeug gesteuert werden. Dasselbe gilt, wenn der Airport De-Icer beispielsweise eine bereits enteiste Rollbahn kreuzt. Dank Navigation weiß der Computer, wo gesprüht wurde und schaltet den Sprühvorgang beim Kreuzen ab. Schock: „Noch ein Vorteil: Der Fahrer kann genau dokumentieren, wo er bereits gewesen ist. Und nachweisen, dass er seine Arbeit korrekt ausgeführt hat – für den Fall, dass ein Flieger doch mal in die Wiese rutscht.“
Millionenauftrag aus Istanbul
Frank Schock: „Technologisch sind wir Marktführer. Unsere Maschinen sind vielleicht etwas teurer als die der Wettbewerber, aber durch die hohe Effizienz rechnet sich das ganz schnell.“ Das hat sich mittlerweile weltweit herumgesprochen. Aktuell ist es
Dammann gelungen, einen ersten Auftrag für den neuen Flughafen in Istanbul zu bekommen. Die ersten zehn großen Enteiser und acht kleinere Systeme sollen geliefert werden – ein Millionenauftrag, der jetzt unterschrieben wurde. Schock: „Der International Grand Airport, kurz IGA, soll der größte Flughafen weltweit werden und eines Tages 120 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen. In Istanbul werden Enteiser gebraucht, weil dort Nachfröste auftreten.“ Weitere Projekte stehen für Fraport, Madrid, Stockholm und China an. Frank Schock: „In China ist der Bau von 70 neuen Flughäfen geplant, von denen drei Viertel geografisch im Wintergebiet liegen.“ Im Juni wird er zudem nach Feuerland reisen. Auf dem südlichsten Flughafen der Welt, in Port Williams, wird Enteisungstechnik made in Buxtehude eingesetzt. wb
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