Der Steuer-Tipp – Nießbrauchvereinbarungen auf dem Prüfstand

KOLUMNE

Von TIM WÖHLER, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

TIM WÖHLER, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

TIM WÖHLER, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht

Die Übertragung von Betriebsvermögen unter Nießbrauchsvorbehalt gehörte bislang zu den gängigen Gestaltungsinstrumenten der vorweggenommenen Erbfolge. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun entschieden, dass unentgeltliche Übertragungen nur bei Beendigung der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmers steuerneutral bleiben. Diese Entscheidung hat das Potenzial, die bisherige Praxis von Betriebsübertragungen zu beseitigen, denn nun droht die Aufdeckung stiller Reserven.

Bei steuerbegünstigten unentgeltlichen Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt ist zunächst zwischen Unternehmens- und Ertragsnießbrauch zu unterscheiden. Beim Unternehmensnießbrauch führt der Vorbehaltsnießbraucher (früherer Eigentümer) das Unternehmen selbst fort. Beim Ertragsnießbrauch stehen ihm lediglich die Erträge (zumindest teilweise) zu. Laufende Einkünfte aus dem übertragenen Unternehmen werden Schenker und Beschenktem nach ihrer Nießbrauchvereinbarung zugerechnet, welche neben Mitwirkungsrechten auch die Teilnahme am Erfolg des Unternehmens regelt.

Bei einer solchen unentgeltlichen Übertragung blieben nach der bisherigen Rechtsprechung stille Reserven steuerneutral, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen wurden und der Übertragende seine Tätigkeit beendete. Bislang war die Einstellung der gewerblichen Tätigkeit des Schenkers aber nicht zwingende Voraussetzung für eine steuerfreie Übertragung, sofern der Betrieb an sich aufrechterhalten blieb.

Anzeige

Von dieser bisherigen Rechtsprechung rückt der BFH nun ab (Az: X R 59/14). Zumindest im Falle eines Einzelunternehmens ende bei Vorbehalt eines Unternehmensnießbrauchs die Tätigkeit erst mit Beendigung des Nießbrauchs, da aufgrund des Unternehmensnießbrauchs dem Übertragenden die bisherige gewerbliche Tätigkeit sowie deren Früchte verbleiben würden. Der Übertragende erziele weiterhin gewerbliche Einkünfte. Die unentgeltliche Übertragung des Betriebsvermögens sei daher eine Entnahme, die zur ertragsteuerpflichtigen Aufdeckung stiller Reserven führen würde.

Diese Entscheidung des BFH kann weitreichende Konsequenzen haben. Offen ist, ob wenigstens ein Ertragsnießbrauch unter Beachtung der strengeren Anforderungen weiterhin steuerunschädlich bleibt, solange der Übertragende seine gewerbliche Tätigkeit erkennbar aufgibt und der Erwerber seine Mitwirkungsrechte erkennbar wahrnehmen kann. Problematisch erscheinen vor allem Fälle, in denen der Übertragende einen Teil seines Mitunternehmeranteils zurückbehält und insoweit noch mitunternehmerisch tätig ist. Diese bislang gängige und steuerlich anerkannte Gestaltungsmöglichkeit wird durch das BFH-Urteil erschwert. Unsicherheit besteht nun außerdem bezüglich der schenkungssteuerlichen Begünstigungen bei Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs.

Empfehlung: Die Finanzverwaltung hat bisher nicht erkennen lassen, wie sie mit diesem BFH-Urteil umgehen will. Aufgrund der derzeitigen Unsicherheit sollten Alternativen zur vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt in Betracht gezogen werden. Bereits abgeschlossene Nießbrauchvereinbarungen sollten überprüft werden.

Fragen an den Autor? twoehler@dierkes-partner.de

 

Anzeige