Er ist gebürtiger Lüneburger, diente zwölf Jahre bei der Bundeswehr (1973 bis 1985), war Vertriebschef bei Tchibo (bis 1998) und kam 1999 zur Mast-Jägermeister AG: Jack Blecker ist Marketingprofi und unter anderem der Mann, der die legendären Werbespots mit den Hirschen Rudi und Ralf ins Fernsehen brachte. Mittlerweile ist er im Ruhestand. Im Gespräch mit Martina Brinkmann erzählt Jack Blecker, wie er als Vorstand „Marketing und Vertrieb“ den urdeutschen Kräuterlikör Jägermeister auf die Weltbühne brachte.
Jägermeister gilt als Lehrbeispiel für erfolgreiches Marketing: vom angestaubten Altherrengetränk in Deutschland zu einem Top-Ten-Player im weltweiten Spirituosenmarkt in nur wenigen Jahren. Wie ist so etwas möglich?
Klingt nach einem Über-Nacht-Erfolg, nicht wahr? War es aber nicht. Richtig ist, dass die Marke vor 20 Jahren in Deutschland zwar aus der Mode gekommen war, aber immer noch über eine gute Basis verfügte. Denken Sie nur an legendäre Werbeaktivitäten wie die Einführung der Trikotwerbung im professionellen Fußball oder die Unikatkampagne „Ich trinke Jägermeister, weil . . .“ in den 1970ern – der Nachhall des Anderssein, des Kreativen war noch Teil der Markenwahrnehmung. Zudem war das Absatzvolumen zu der Zeit noch bedeutend, allerdings waren die Konsumenten hier in Deutschland tatsächlich eher älter und eher männlich.
Wie ist es gelungen, die Marke so erfolgreich neu zu positionieren?
Nun, da muss ich über das seinerzeit bereits existierende, wenn auch noch vergleichsweise kleine internationale Geschäft sprechen. In einer Anzahl von Auslandsmärkten hatte sich Jägermeister jeweils über lokale Vertriebspartner seit den 1960er-Jahren schon Marktpositionen erarbeitet. Insbesondere in den USA galt die Marke an den Colleges und Universitäten, also in der jungen Verwendergruppe U21 als cool und hipp. Viele der dort und in anderen Märkten erfolgreich eingesetzten Marketingtools haben wir im Sinne des best-practice-
Managements nach Deutschland geholt, den hiesigen Bedingungen angepasst und eingesetzt.
Geben Sie doch bitte einige Beispiele.
Da fallen mir als erstes die „Jägerettes“ ein: Promotionteams, die nicht nur das Produkt kostenfrei an die Gäste in gastronomischen Betrieben abgeben, sondern in den Bars und Pubs für eine Stunde eine echte Party veranstalten. Entertainment pur. Dann zieht das Team weiter in die nächste Bar und sorgt so in einem ganzen Kiez für eine Nacht für eine einzigartige Jägermeisterpräsenz – plus „Hinterlassenschaften“ wie Werbemittel und so weiter. Oder nehmen Sie die „tap-machine“, die wie die „Jägerettes“ bereits in den USA im Einsatz war: Eine Zapfanlage, die der Marke in dem gastronomischen Betrieb nicht nur Visibilität gibt, sondern zudem das Produkt eiskalt ins Glas bringt.
Die Hirsche gehörten auch zum Programm?
Die TV-Hirsche kommen aus den Niederlanden. Rudi und Ralf haben auch im deutschen Werbefernsehen für Furore gesorgt. Es gibt viele dieser Beispiele, vielleicht noch ein letztes: Jägermeister war ja traditionell sehr stark im Sportsponsoring, ob im Profifußball, ob an mehreren Tausend Werbebanden auf Amateursportplätzen, ob in der Formel 1, ob in der DTM. Aber Sport und Alkohol? Mit zehntausenden von Kindern und Jugendlichen in den Vereinen? Anfang der 2000er-Jahre haben wir uns entschlossen, stattdessen in die Musikszene zu gehen: Bandsponsoring, Talentförderung, eigeninitiierte Tourneen. Persönlich hat mir übrigens am meisten die Kreation der USA-Touren Spaß gemacht: fokussiert auf Heavy Metal Music. Ich habe die Jungs von Slayer, Slipknot, Disturbed, Drowing Pool und weitere alle persönlich kennengelernt – großer Spaß!
Aber Achtung! Eine Neupositionierung will im Tagesgeschäft geschickt gemanagt werden: Bei allem Neuen gilt es natürlich, die aktuellen Verwender zu halten, sie nicht zu verprellen!
So wurde die Marke also in Deutschland erfolgreich neu aufgestellt, andere bestehende Märkte wurden ausgebaut. Aber reicht das, um in die weltweite Top-Ten-Liste der internationalen Markenspirituosen zu kommen?
Wir sprechen über konsequente Internationalisierung, die Eroberung neuer Märkte. Die Marke wird heute in weit über 100 Ländern organisiert vertrieben. Das meint also nicht die Verschiffung einer Palette an irgendeinen Großhändler in Vietnam oder anderswo, sondern einen geordneten Markenaufbau über lokale Vertriebspartner. Denn eines gilt bei aller Notwendigkeit einer globalen Markenpositionierung und der Übertragung gelungener Vermarktungsaktivitäten von einem Land in das andere: All business is local (Jedes Geschäft funktioniert nach lokalen Regeln, d. Red.)!