LEBENSZEICHEN 7
Wolfram Birkel und Marret Koll bei den Bewohnern von Fulanga und Valuatu
Seit mehreren Jahren segelt Wolfram Birkel, Gründer des hit-Technoparks, mit seiner Lebensgefährtin Marret Koll um die Welt. Der Südpazifik hat das Paar besonders begeistert, sodass der Aufenthalt viel länger dauerte als gedacht. Mit seinem Lebenszeichen 7 nimmt das Segler-Paar die B&P-Leser dieses Mal unter anderem exklusiv mit nach Fulanga. Hier der Bericht:
Nach zwei begeisternd schönen und interessanten Jahren im Pazifik haben wir im vorerst letzten Jahr im Südpazifik die noch sehr schlichten und naturverbundenen, bewohnten Inseln der Lau Gruppe besucht. Sie gehören zu Fiji, liegen aber weit im Osten und werden daher nur von wenigen Seglern angelaufen, da man sich zum Einklarieren auf den etwa 250 Seemeilen entfernten Hauptinseln melden muss. Erst dann darf man mit einer Cruising-Permit die Lau-Inseln anlaufen und das bedeutet: Gegen die vorherrschenden Passatwinde aus südöstlicher Richtung zu segeln oder auf ein entsprechendes Wetterfenster zu warten.
Ende Mai ergab sich dies Wetterfenster, und wir starteten mit Ziel Fulanga, einer im Süden der Lau-Gruppe gelegenen Insel. Als wir nach zweieinhalb Tagen Segeln dort eintrafen, gönnten wir uns erstmal einen Erholungstag im türkisfarbenen Wasser der Lagune. Dann verholten wir zum kleinen Strand des Dorfes, an dem auch die Fischerboote der Dorfbewohner liegen. Wir fuhren mit dem Dinghi an Land und erreichten, bepackt mit einigen Gastgeschenken, nach einem 30-minütigen Marsch das Dorf. Man hatte uns schon wahrgenommen und hieß uns herzlichst willkommen. Tui, der Enkel des Chiefs, zeigte uns das Dorf und brachte uns zu seinem Großvater, einer beeindruckenden Persönlichkeit im Alter von 86 Jahren. Es ist hier üblich, dass man sich dem Chief vorstellt, ihn um eine Genehmigung zum Ankern in seinem Territorium bittet und als Gastgeschenk einen Strauch Kava mitbringt. Außerdem wird auf Fulanga eine Gebühr in Höhe von 50 Fiji-Dollar erhoben, die für soziale Zwecke verwendet wird. Das haben wir gerne bezahlt.
Zu Gast bei Gally
und Familie
Wir wurden einer Gastfamilie zugewiesen, deren Mitglieder unsere Ansprechpartner für die kommende Woche werden sollten. Gastmutter Gally bewohnt mit ihrem Mann ein in Fulanga übliches, elyptisch geformtes Haus aus Wellblech (die Form soll Zyklonen besser standhalten). Das Haus ist zu zwei Dritteln in Wohnbereich und einem Drittel Schlafbereich unterteilt. Es hat zwei Türöffnungen und vier Fenster, die aber nur mit Holzbrettern verschlossen werden können, Rahmen oder gar Glas wurden an dem Haus nicht verbaut. Die einzigen Möbelstücke sind ein großes Bett mit einem Moskitonetz über dem Betthimmel und eine Truhe, in der Kleidungstücke aufbewahrt werden. Das Leben findet auf selbstgeflochtenen Pandanusmatten auf dem Boden statt.
Außerhalb des Hauses gibt es eine Kochhütte mit einem Erdofen und offenem Feuer, in der sich auch ein Regal mit Kochtöpfen, Schüsseln und einigem anderen Kochzubehör befindet. An der Außenseite ist eine Art Tisch platziert, auf dem eine Waschschüssel für den Abwasch oder das Zubereiten der Speisen steht. Etwas weiter entfernt steht ein kleines Klohäuschen über einer Sickergrube. Es gibt weder fließend Wasser noch Stromanschluss, geschweige denn Telefon. Seit einem Jahr besitzt so gut wie jedes Haus im Ort eine Solaranlage, die Strom für Licht am Abend produziert. Die Raten für die Solaranlagen bezahlen die Familien durch die Herstellung von
30 Reisigbesen pro Monat.
Leben ohne Netz
Mehrere Bewohner des Ortes haben Mobiltelefone, da es aber kein öffentliches Netz gibt, werden die Smartphones meist als Kamera genutzt. Die Dorfschule hat eine leistungsstärkere Solar- und auch Satellitenanlage (gekauft von den eingenommenen Aufenthaltsgebühren), über die stundenweise mal das Internet genutzt werden kann. Auch Telefonate können hier geführt werden, wenn zum Beispiel ärztliche Hilfe benötigt wird. Alle vier bis sechs Wochen kommt ein Versorgungsschiff nach Fulanga und bringt Dinge, die nicht selbst produziert werden können – Werkzeuge, Batterien, aber auch Lebensmittel wie Reis und ähnliches. Die Menschen hier leben von den angebauten Obst- und Gemüsearten wie Bananen, Papaya, Orangen, Taro, Jam, Kasava, Maniok und Pak Choy. Täglich geht ein Familienmitglied auf Fischfang. Das Meer bietet den Bewohnern eine große Vielfalt unterschiedlicher Lebensmittel: Fisch, Krebse, Oktopus, Muscheln und Seegras.
Gally nahm uns sehr herzlich auf, sie versorgte uns mit Früchten, lud uns zum Essen und zu einem Grillfest an den Strand ein und teilte ihr bescheidenes Leben mit uns. Wir gaben dafür mitgebrachte Werkzeuge, Samen für Gemüse, Lebensmittel, Zucker, Kleidung, Schuhe; was wir erübrigen konnten. Es ist bemerkenswert mit welcher Herzlichkeit und Zufriedenheit die Menschen hier miteinander umgehen und wie sie uns in ihrer Mitte aufnahmen. Uns beeindruckte besonders die Aussage einer 25-jährigen Frau, die nach mehreren Jahren Ausbildung und Tätigkeit in der Hauptstadt Suva nach Fulanga zurückgekehrt war, weil ihr die Großstadt zu hektisch und profitausgerichtet war.
Nach einer guten Woche paradiesischen, entspannten Lebens in Fulanga segelten wir langsam zurück nach Fiji. Noch ganz beeindruckt von den Erlebnissen.
Auf nach Vanuatu
Unser nächstes Ziel, einige Wochen später, war Vanuatu, auch hier waren wir im Vorjahr schon kurz gewesen, und auch hier wollten wir das einfache Leben auf den abgelegenen Inseln kennenlernen. Dazu waren wir mit einigen anderen Seglern zu lokalen traditionellen Festivals verabredet. Mit den Festivals bewahren und leben die Dorfbewohner ihre Traditionen.
Das erste Festival, das wir besuchten, fand auf der Insel Ambrym statt. Die angereisten Zuschauer, hauptsächlich Segler, wurden vom Strand mit einem von den fünf auf der Insel vorhandenen Pik-ups abgeholt. Gegen ein Eintrittsgeld von 35$ Vatu wurden wir in das aktuelle Leben und die traditionellen Riten der Bewohner Ambryms, speziell des Ortes Fanal, eingeführt. Der erste Programmpunkt waren Tänze der rein männlichen Tanzgruppe, deren Akteure nur mit einem Bauchgurt, einem geflochtenen Überzug für den Penis sowie einigen Blättern und Palmwedeln bekleidet waren, die allesamt in den Gurt integriert waren. Dazu sangen die Tänzer und schlugen Bambusstäbe aufeinander. Beim nächsten Tanz klopften sie mit Holzstäben ihre großen Tamtams. Das sind ausgehöhlte Baumstämme, kunstvoll verziert und bemalt, ähnlich wie Totempfähle, die durch ihre länglichen Öffnungen einen eindrucksvollen, tiefen Ton erzeugen. Dazu stampften die Tänzer mit den Füßen im Takt, mal schneller, mal langsamer. Die Stellung der Tänzer in der dörflichen Gesellschaft erkennt man an den Halsketten mit den Schweinehauern, die die Chiefs beziehungsweise ihre auserkorenen Nachfolger tragen. Auf Vanuatu ist es ein wichtiges Zeichen von Stärke und Männlichkeit, wenn man eine nicht unbeträchtliche Zahl von ausgewachsenen Schweinen erschlagen hat.
Nach den ersten Tänzen wurden wir durch das Dorf Fanal geführt. Die Häuser hier waren noch viel kleiner und schlichter als die, die wir in Fulanga gesehen hatten. Die Wände bestanden nur aus Bambusgeflecht, der Boden war häufig nur festgetretene Erde, das Dach aus einem Palmen- oder Pandanusblätter-Belag. Kochhaus und Toiletten waren vergleichbar, aber auch hier dienten Bambusmatten als Wände. In den Wohn- und Schlafhäusern lagen ebenfalls selbstgewebte Pandanusmatten. Die Frauen beköstigten uns mit Früchten (Papaya und Grapefruit) sowie mit warmen Speisen aus Jam und Taro meist in Kokosmilch gekocht und angerichtet. Ansonsten waren die Frauen in das Festivalgeschehen nicht einbezogen.
Zum Schluss stirbt
ein Schwein
Am nächsten Tag wurde die männliche Tanzgruppe durch 20 weitere Tänzer der umliegenden Orte verstärkt, die in Kostümen aus Bananenblättern und mit kunstvoll gestalteten Maskenkappen auftraten. An den Füssen trugen die Tänzer eine Art Glöckchen aus Nussschalen, die ihrem Auftritt durch die Geräusche eine besondere Note gaben. Die Tänzer wurden wieder durch Schlagen der Tamtams und Gesang begleitet. Dieser Maskentanz ist ein jährliches großes Ereignis. Nach Beendigung des Tanzes wurden einige Masken an die Tänzer des nächsten Jahres versteigert. Der Bieter musste einen Geldbetrag entrichten und für die Gemeinschaft ein Schwein stiften, welches er inmitten der Anwesenden erschlagen musste, ein für uns nicht nur exotischer Anblick.
Es hat uns außerordentlich fasziniert zu sehen und zu erleben, wie in unserer so technisch ausgerichteten Welt noch Menschen in anderen, abgelegenen Teilen der Erde mit einfachsten Mitteln ein sehr beschauliches, aber glückliches Leben führen. Diese Menschen haben uns sehr beeindruckt.
Ihre Wolfram Birkel und Marret Koll
Abseits von Hektik und Profitstreben
LEBENSZEICHEN 7
Wolfram Birkel und Marret Koll bei den Bewohnern von Fulanga und Valuatu