Denken Sie mal an die Äpfel, die wir in unserer Kindheit gegessen haben.“ Arnulf Wintjes, Assistent der Geschäftsführung bei der Marktgemeinschaft Altes Land (M.AL.) in Jork, kennt sie auch, die manchmal schon schrumpeligen „Äppel“, die damals als Prototypen des Bio-Apfels im Schulranzen herumkullerten. Damit ließe sich heute kein Geschäft mehr machen – so viel steht fest. Der moderne Apfel ist ein knackiges rundes Ding ohne jede Druckstelle oder gar anderweitige Makel, fruchtig-säuerlich im Geschmack, gern in dunklem Rot und möglichst gut an den Kunden zu bringen. Wintjes ist Herr über jährlich 100 000 Tonnen Kernobst (Äpfel und Birnen) aus dem Alten Land, die er im Auftrag von etwa 160 Erzeugern in den Handel bringt. Keine leichte Aufgabe, aber eine Herausforderung, die der 55-jährige Diplom- Agraringenieur gern annimmt und kreativ umsetzt.
Der Apfel an sich ist eine Frucht, die sich vielfältig verwenden lässt: ob als Grundstoff für Bäckereien und Konditoreien, als Saftlieferant, für Marmeladen und Fruchteinlage im Quark oder schlicht als Apfelmus und schlichter Apfelring. Den höchsten Ertrag erzielt er jedoch als Clubsorte im gehobenen Lebensmitteleinzelhandel. Wintjes: „Die 100 000 Tonnen Ernte pro Jahr können wir gut absetzen – trotz des Russland-Embargos. Allerdings trifft es uns indirekt. Die Preise, die wir erzielen, sind seit drei Jahren wegen des Überangebots nicht wirklich begeisternd. Das Gebot der Stunde lautet deshalb gerade bei den Äpfeln: weniger Masse, stattdessen höhere Qualitäten.“
Insgesamt werden im Alten Land pro Jahr rund 350 000 Tonnen Kernobst geerntet, der Großteil davon Äpfel diverser Sorten. Wenn es um höhere Qualitäten geht, kommt der Name Junami zur Sprache – eine Clubsorte, die exklusiv von der M.AL. vertrieben wird und preislich hochgehalten werden kann, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. Nur 5000 Tonnen werden geerntet – und in den Handel gebracht. Arnulf Wintjes ist sicher: „So funktioniert das Geschäft. Und so müsste es auch für andere Sorten laufen.“ Zum Beispiel für den Wellant, 2008 „Apfel des Jahres“ und wirklich einen herzhaften Biss wert.
Mit Hightech in die Zukunft
Noch in den 60er- und 70er-Jahren hatten die Apfelplantagen im Alten Land eher den Charakter von „langgestreckten Obstbaum-Wäldern“. Die Bäume waren hochgewachsen, die Ernte war umständlich. Heute sind die Bäume niedrig, Leitern werden nicht mehr gebraucht. „Trotzdem – alles ist Handarbeit. Jeder Apfel wird von Hand gepflückt“, sagt der Vermarkter. Nach der üblichen Logistikeinlage zwischen Erzeuger und M.AL. wird es allerdings technisch: Noch in diesem Jahr soll eine neue Sortieranlage in Jork in Betrieb genommen werden. Pro Stunde können dann 18 Tonnen Äpfel nach Farbe, Gewicht, Größe und Qualität sortiert werden. Vorgesehen ist sogar eine Durchleuchtungsanlage, in der Äpfel mit Kernobstfäule erkannt und aussortiert werden. 4,2 Millionen Euro investiert die Erzeugergemeinschaft und baut derzeit extra eine neue Halle auf dem Firmengelände an der Neuenfelder Straße.
Die Sortierstation benötigt 50 mal 30 Meter Grundfläche. Hinzu kommt ein Dispolager für 1000 Kisten à 300 Kilo. 29 Sortierkanäle sind vorgesehen. Die 1,7-Millionen-Euro-Anlage kann Holz- und Kunststoffkisten „verarbeiten“, sie hat einen zirkulierenden Wasserstrom, der die Äpfel von der Anlieferung über die Sortierung und Qualitätskontrolle bis hin zu zwei Befüllungsrobotern transportiert. Sie schwimmen sozusagen zu ihresgleichen. Am Ende steht dort eine 300-Kilo-Box mit Äpfeln gleichmäßiger Qualität. Die Technik kommt aus dem französischen Ort Montauban, knapp 100 Kilometer nördlich von Toulouse. Wintjes: „Der französische Hersteller hat die Ausschreibung gewonnen.“ Im Ein-Schicht-Betrieb können ab der nächsten Ernte 20 000 Tonnen Äpfel pro Jahr automatisch sortiert werden – übrigens das ganze Jahr hindurch, denn in den Kühllagern liegen die Äpfel unsortiert.
Neues Kühllager in Apensen
Stichwort Kühlung: Ein großes Kühllager befindet sich auf dem M.AL.-Gelände in Jork, ein zweites soll in diesem Jahr in Apensen gebaut werden – für die Erzeuger auf der Geest. Hier werden weitere 2,4 Millionen Euro investiert. Wintjes: „Wir brauchen das Lager, um wirtschaftlich zu bleiben.“ Aber es wird auch zusätzliches Personal benötigt. Allein für die Sortieranlage in Jork hat er sechs neue Mitarbeiter eingestellt, darunter zwei in Vollzeit. Die Maschinenführer werden im Sommer beim Hersteller eingearbeitet.
Technische Herausforderungen sind die eine Seite, das Verbraucherverhalten ist die andere. Laut Arnulf Wintjes hat sich Letzteres in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert: „Früher hat die Oma beim Fernsehen noch mal ein Kilo Äpfel geschält. Das gibt es heute kaum noch. Äpfel stehen in direkter Konkurrenz zu allen Früchten, die der Handel anbietet. Sie werden nicht kistenweise, sondern einzeln oder im Viererpack gekauft.“ Der Apfel ist eben nicht mehr gesetzt – er muss sich neu behaupten. In der Folge sind altvertraute Namen wie Gloster, Cox Orange und Ingrid-Marie längst aus den Regalen verschwunden. Da hat sich auch der Geschmack der Verbraucher verändert.
Fazit: Die Obstvermarkter suchen nach Wegen, ein klassisches Traditionsprodukt wie den Apfel neu am Markt zu platzieren. Mit neuen Züchtungen und neuen Namen: Wellant und Junami kontra Jonagold (1943 gezüchtet), Elstar (1955) und Ingrid-Marie (1910, Zufallssämling). Der Apfel, da ist sich Wintjes sicher, hat das Zeug, eine echte Renaissance zu erleben. Vielleicht sogar im Snack-Format. Apfel statt Chips – einfach zum Reinbeißen! wb
Web: www.mal-jork.de