Die Wirtschaft ist für die Menschen da

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. . . und nicht der Mensch für die Wirtschaft Thema Ethik: Wolfgang Huber referiert beim Jahresempfang der Sparkasse Harburg-Buxtehude

Das Thema hat eine aktuelle Brisanz, die sich vor einigen Jahren noch kaum jemand hätte vorstellen können: „Ethisches Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft“. Mit Professor Dr. Wolfgang Huber präsentierte die Sparkasse Harburg-Buxtehude bei ihrem traditionellen Jahresempfang bei Lindtner in Harburg einen versierten Fachmann und Botschafter in Ethikfragen. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands arbeitet trotz seiner mittlerweile 74 Jahre als Publizist und Theologie-Professor. Vor mehr als 500 Gästen lieferte er eine punktgenaue Analyse der aktuellen Situation und sparte auch nicht mit praktischen Beispielen. Der Dieselskandal von VW zeige aktuell auf, wie es dem Menschen gelungen sei, Maschinen das Lügen beizubringen.

Heinz Lüers, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Harburg-Buxtehude, nahm in seiner Einführungsrede ebenfalls kein Blatt vor den Mund. Der Wahlkampf in den USA markiere einen neuen Tiefpunkt für Ethik und Moral und er habe den Eindruck, dass diese Phase auch nach der Übernahme des Präsidentenamtes durch Donald Trump anhalte. Lüers: „Ist das die neue Realität? Auch in Deutschland?“ Auch er streifte das Thema, das seit Monaten omnipräsent ist: der Abgasskandal von VW. Lüers: „Wirtschaftlicher Erfolg darf nicht gegen die Interessen der Gesellschaft stehen.“

Drei dramatische 
Entwicklungen

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Huber, 1942 in Straßburg geboren und in Freiburg aufgewachsen, gilt in Deutschland als ethische Instanz. Viele Jahre war er Mitglied im Deutschen Ethikrat – ein Thema, das ihn bis heute bewegt: „Es hat zu allen Zeiten immer wieder einen Wertewandel gegeben. Aber wir tappen in die Falle, wenn wir von Werteverfall sprechen. Trotzdem habe auch ich das Gefühl: So herausgefordert wie zurzeit waren wir noch nie.“ Verantwortlich seien dafür drei zeitgleiche Prozesse: eine dramatische Pluralisierung der Einstellungen als Folge der Globalisierung, ein ebenso dramatischer technologischer Wandel mit hohem Beschleunigungspotenzial als Folge der Digitalisierung und eine dramatische Ökonomisierung, die zur Folge habe, dass vielfach Profitmaximierung und Shareholder Value das Geschehen in der Wirtschaft bestimmten.

Huber: „Um nicht missverstanden zu werden: Zur ethischen Verantwortung gehört es, profitabel zu arbeiten. Denn das ist im Interesse aller. Aber: Die Wirtschaft ist für die Menschen da – und nicht der Mensch für die Wirtschaft.“

Der Referent nutzte die Gelegenheit, auch gleich mit einem weiteren Modebegriff aufzuräumen: „Ich habe ein Problem mit dem Begriff Work-Life-Balance, denn er trennt Arbeiten und Leben. Als ob das Arbeiten nicht zum Leben dazugehört.“

Aus den ethischen Grundpfeilern Respekt, Ehrlichkeit, Vertrauen und Nachhaltigkeit wählte Huber im weiteren Verlauf den Begriff aus, von dem er annahm, dass dies der Wert sei, der von den wenigsten Zuhörern ausgewählt worden wäre: Respekt.

„Das ist purer 
Rassismus“

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Huber: „Respekt ist etwas, über das wir eher im Zusammenhang mit Respektlosigkeit sprechen.“ Zum Beispiel, wenn der AfD-Politiker Alexander Gauland verbreite, Jérôme Boateng sei zwar ein guter Fußballer, aber als Nachbarn wolle man den nicht haben. Huber: „Das ging nicht gegen einen Ausländer, denn Boateng ist Deutscher. Auch nicht gegen einen Moslem, denn Boateng ist Christ. Auch nicht gegen jemanden, der sich ungewöhnlich benommen hätte. Es ging allein gegen die Hautfarbe. Das ist eine Entwicklung, da müssen wir gar nicht in die USA gucken. Das ist purer Rassismus und vor allem deswegen verheerend, weil sich dadurch potenzielle Wähler ansprechen lassen.“ Und es ist in hohem Maße respektlos.
Mit Ausführungen zu den Unterthemen Führung, Migration und Digitalisierung vertiefte Huber seine Ethik-Ausführungen. Letztere führe zu einer Verwischung der Konturen, da sich Arbeit und Freizeit nicht mehr klar trennen ließen. Auf digitaler Basis sei beim Dieselskandal von VW zudem das „planmäßige Lügen an Geräte delegiert“ worden, weil das leichter fiele als direkt zu lügen. Digitalisierung werde zur organisierten Verantwortungslosigkeit verwendet. Dasselbe gelte im Übrigen für die Finanzprodukte, deren Verkauf 2008 die weltweite Finanzkrise ausgelöst habe, weil die Käufer nichts mehr verstanden hätten. Als drittes Beispiel nannte Huber das autonome Fahren: „Autonom heißt selbstgesetzgebend. Das ist erreicht, wenn eine Kampfdrohne selbst bestimmt, wann sie die Bombe auslöst. Also reden Sie nicht so schnell vom autonomen Fahren . . .“