Die historische Antwort auf das autonome Fahren

Erst 67 500 Kilometer auf dem Tacho viel gefahren wurde das Cabrio in den vergangenen 65 Jahren nicht.

Da steht er endlich. Die frisch lackierten Kotflügel glänzen in dunklem Weinrot. Die Chromleisten blitzen. Ein Schmuckstück. Als Dr. Hans-Joachim Helming sein restau­riertes Mercedes 220 Cabriolet A bei Mercedes Tesmer in Winsen-Roydorf zum ersten Mal wiedersieht, ist es wie ein Treffen mit einem verschollen geglaubten Verwandten. „Ja“, sagt er versonnen, „das ist der Liebling der Frauen.“ Der Mediziner weiß, wovon er spricht, denn wer mit einem Oldtimer aus dem Jahr 1952 durch die Landschaft fährt, der erfreut sich unerwartet vieler freudiger Reaktionen. Das bestätigt auch Thorsten Schroeder, Serviceleiter in der Tesmer-Filiale und Experte für Oldtimer: „Wir haben zwei, drei Probefahrten gemacht. Die Leute bleiben stehen, winken. Freuen sich einfach, wenn sie so ein altes Fahrzeug sehen.“

Oldtimer-Fans wie Hans-Joachim Helming haben ganz offensichtlich ein Faible für Zeitreisen. So fühlt es sich nämlich an, wenn der Sechszylinder-Reihenmotor anspringt und seine 80 PS den Wagen vorantreiben. So bei Tempo 120 ist Schluss. Auch der Laie merkt sofort: Das ist ein Auto zum Cruisen. Einfach ein cooler langsamer Auftritt in einer immer schneller werdenden Welt. Ein analoges Gegenmodell zum bevorstehenden Einstieg in die digitale Welt des autonomen Fahrens.

Im Internet gefunden

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Vor vier Jahren entdeckte der Wahl-Handeloher Helming den Oldie im Internet. Das Auto war fahrbereit. Nachdem dann einige Lackschäden sichtbar wurden, wollte er den Mercedes neu lackieren lassen, doch schnell wurde klar: Die Operation wird umfangreicher als gedacht. Am Ende dauerte die Grundsanierung der Karosserie ein ganzes Jahr. Schroeder: „Fast 700 Arbeitsstunden waren nötig.“ Das Ergebnis kann sich indes sehen lassen. Und ein aktuelles Gutachten bescheinigt dem Fahrzeug einen Wiederbeschaffungswert von mehr als 190 000 Euro sowie eine sensationelle 1 minus für den Gesamtzustand.

Schroeder: „Wir haben das Auto komplett zerlegt und sogar die Originalkotflügel gerettet. Ein neuer Kotflügel würde rund 
6000 Euro pro Stück kosten. Es gibt Unternehmen, die sich auf den Nachbau spezialisiert haben.“

Kurz: Ein Oldtimer, wenn er denn wie neu aussehen soll, ist ein kostspieliges Hobby, kann aber auch eine gute Wertanlage sein, denn die Wertzuwächse sind bei manchen Modellen mit mehr als zehn Prozent pro Jahr enorm.

Das Oldtimer-Segment

Seit zehn Jahren ist Mercedes Tesmer am Standort Winsen intensiv im Oldtimer- Segment aktiv. Das liegt zum einen an 
Thorsten Schroeder, der schon früher Originalunterlagen von alten Fahrzeugen sammelte und auch Spezialwerkzeuge für historische Modelle aufbewahrte. Er sagt: „Wir sind der einzige Tesmer-Betrieb, der sich darauf spezialisiert hat, die Kompetenz für die Restaurierung alter Fahrzeuge zu erhalten.“ In der Folge kommen Kunden aus ganz Norddeutschland und sogar aus dem europäischen Ausland nach Winsen, um das Wissen der Experten zu nutzen.
Thorsten Schroeder (52) zu seiner Motivation: „Ich habe Freude an schönen Dingen – Architektur, Kunst, Möbel und natürlich auch Autos. So ist das entstanden. Die Marke Mercedes steht auch für Tradition, und sie hat aus ihrer Modellgeschichte unheimlich viel zu bieten. Im Ranking der Oldtimer stehen wir in Deutschland an erster Stelle.“ Längst ist das Thema zu einem eigenen Marktsegment geworden. Außerdem ist die Betreuung der Oldie-Freunde, die vielfach in speziellen Clubs beispielsweise für die SL-Reihe oder andere Modelle organisiert sind, ein Kundenbindungsinstrument. Denn: Die meisten alten Fahrzeuge werden nur bei schönstem Wetter bewegt – kaum jemand würde täglich mit einem wertvollen historischen Fahrzeug zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren. Also muss noch ein neues Auto her. Und die gibt es in Winsen natürlich auch . . .

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Technik-Tag am 13. Mai

Einmal im Jahr veranstaltet Tesmer in Winsen den sogenannten Technik-Tag. Zum achten Mal findet er in diesem Jahr statt – am 
13. Mai. Thorsten Schroeder: „Dann stehen hier an die 100 Oldtimer auf dem Hof. Wir hatten schon Gäste, die extra aus Norwegen, der Schweiz und sogar Spanien angereist sind, um bei diesem Event dabei zu sein.“ Das Betriebsgelände in der Luhdorferstraße 
130 wird dann zum Mekka der Mercedes- Oldtimer-Fahrer. wb

Web: www.tesmer.
mercedes-benz.de