Interview mit Sascha Lobo, Journalist, Kolumnist bei Spiegel online, Internet-Guru und Szene-Analyst
Die provokante rote Irokesen-Frisur ist sein Markenzeichen und sorgt für ein Alleinstellungsmerkmal in der digitalen Szene. Wichtiger als das Eigenmarketing sind aber die Einschätzungen, die der Journalist und Grimme-Online-Award-Preisträger Sascha Lobo mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen im Netz, aber auch insgesamt die digitale Welt gibt. Beim INNO-Talk im hit-Technopark referierte er vor 200 Gästen zum Thema „Digitale Transformation und politische Verantwortung“. Vorher gab er B&P-Redakteur Wolfgang Becker ein Interview mit persönlichen Nuancen und politischen Bewertungen.
Vor unserem Gespräch habe ich vorhin folgende Frage gegoogelt: Wie heißt Sascha Lobo wirklich? Ergebnis: Null. Sie haben also keinen Künstlernamen?
In der Frage liegt die Antwort schon verborgen – wie so oft. Sascha Lobo ist mein echter Name. Das ernste Fünkchen, das da drin steckt, ist Folgendes: Ich habe einen Migrationshintergrund. Der zugegebenermaßen völlig untervermarktet ist. Das muss ich jetzt mal sagen.
Das ändern wir jetzt . . .
Mein Vater ist Argentinier und kam erst Anfang der 70er-Jahre nach Deutschland, als in Argentinien eine Militärdiktatur begonnen hatte. Meine Mutter ist Deutsche. Aber deshalb habe ich diesen Nachnamen, der auf Spanisch Wolf heißt, was ihm ein bisschen die Magie der Besonderheit nimmt.
Bei Wikipedia heißt es auf der Sascha- Lobo-Seite unter anderem: Das Internet gilt heute einem nicht unerheblichen Teil der deutschen Gesellschaft als „unernst, rebellisch, halbseiden, noch nicht ganz erwachsen, ein bisschen aggressiv“. Hierzu passe Lobo. Stimmt das?
Ich habe irgendwann mal einen heiligen Eid geschworen, niemals meinen eigenen Wikipedia-Eintrag zu editieren. Das halte ich auch für sinnvoll. Da steht ganz viel drin – man kann mich positiv oder negativ oder neutral sehen, aber das ist nun Unsinn. Dieses Zitat stammt aus einer Zeit, als meine Funktion eine andere war. Als nämlich so etwas wie Twitter als etwas für komplette Spinner galt. In der „Zeit“ und im „Spiegel“ standen Artikel, in denen gesagt wurde, dass jetzt irgendwelche Geistesgestörten etwas Privates in sozialen Medien veröffentlichen. Und wie absurd das denn sei. Damals habe ich in den Tagesthemen erklärt, dass Google Streetview wahrscheinlich nicht der Untergang der westlichen Welt ist. Und ich versuchte zu erklären, welche Funktion Twitter in der Nachrichtenwelt haben könnte – inzwischen haben wir einen Twitter-Präsidenten.
Sie haben Lebensmittel-, Brauerei- und Biotechnologie an der TU Berlin studiert. Was treibt einen Brauerei-Technologen zu Spiegel online?
Das ist grundsätzlich richtig, aber unvollständig. Tatsächlich habe ich das Grundstudium Biotechnologie an der TU Berlin absolviert. Mich hat die Kombination aus Technik und Biologie wahnsinnig interessiert – was sich übrigens in dem Titel „Mensch-Maschine“ der SPON-Kolumne wiederspiegelt (jeden Dienstag online, d. Red.). Studiert habe ich dann aber Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation, was ich tatsächlich nach nur 38 Hochschulsemestern auch mit dem Diplom abgeschlossen habe.