Fachkräftemangel – Oh, nicht schon wieder . . .

Dr. Oliver Brandt (Süderelbe AG) referierte beim Unternehmertag der Buchholzer Wirtschaftsrunde. Foto: Wolfgang Becker

Buchholzer Wirtschaftsrunde lädt zum Unternehmertag – Referenten nehmen kein Blatt vor den Mund.

Mancher kann dieses Thema kaum noch hören: Fachkräftemangel. Seit Jahren wird das sich abzeichnende demografische Defizit wie ein Mantra an die Wände der Personalabteilungen deutscher Firmen gemalt, doch so eine richtige Wende gibt es bislang nicht. Obwohl ganz offenbar zu wenig fachkundiger Nachwuchs in  bestimmten Branchen vorhanden ist, zählt der Mangel nicht zu den wichtigsten Herausforderungen, die Unternehmen nennen, wenn sie nach der Zukunft gefragt werden. Das machte Corinna Horeis, Unternehmensberaterin aus Buchholz, in ihrem Vortrag beim Unternehmertag der Buchholzer Wirtschaftsrunde deutlich.

Zuvor hatte Dr. Oliver Brandt, Projektmanager der Süderelbe AG, eine Rundtour durch verschiedene Projekte und Initiativen gemacht, die sich mit der Nachwuchsförderung und -findung befassen. Seine Botschaft: Im allgemeinen Lamento über fehlende Fachkräfte steht der Landkreis Harburg noch vergleichsweise gut da. Dennoch ein Tipp: „Schauen Sie auch mal nach Hamburg! Auch dort finden sich vielleicht die Auszubildenden, die Sie brauchen.“ Brandt wird in dieser Annahme bestärkt durch ein Kuriosum, das beim Tag der Logistik auftauchte. Unter den mehr als 500 Besuchern, die sich an diesem Event der Berufsorientierung im Landkreis Harburg blicken ließen, waren unter anderem zwei Schulklassen aus der Hansestadt.

Anzeige

Corinna Horeis sieht den Fachkräftemangel weniger als Gefahr denn als Chance. Ihre Botschaft an die etwa 150 Unternehmer: „Nehmen Sie mal den Karton vom Kopf!“ Es gehöre schon fast zum guten Ton, über fehlende Fachkräfte zu klagen.

Die Referentin: „In Deutschland gibt es derzeit rund 50 Millionen Menschen in sozialpflichtigen Arbeitsverhältnissen. Das ist ein Riesenpotenzial. Da sollte doch wohl jemand zu finden sein, der auf Ihre Stelle passt?“

Gut provoziert, möchte man sagen, aber dieser Ansage folgte die Lösung auf den Fuß: Die Unternehmen müssen kreativer, schneller und zielgruppenorientierter vorgehen, wenn sie gute Mitarbeiter und Auszubildende haben wollen. Und: Sie müssen Flagge zeigen.

Corinna Horeis: „Die großen Marken-Unternehmen in Deutschland haben kein Problem, Nachwuchs zu finden. Aber die machen nur 0,4 Prozent der Wirtschaft aus. Das heißt: 99,6 Prozent der Unternehmen sind quasi nicht bekannt. Und bei Firmen, die ich nicht kenne, kann ich mich nicht bewerben. Mögen sie auch noch so interessant und erfolgreich sein.“ Unternehmer müssten heute erkennen, dass ein Bewerbungsgespräch zwei Seiten habe. „Auch Sie bewerben sich. Denn Sie brauchen einen neuen Mitarbeiter oder Azubi. Und der hat möglicherweise mehr Stellenangebote als Sie Bewerber.“ Eine Zahl, die zum Nachdenken anregt: Mehr als 40 Prozent der Bewerber bekommen vier Wochen lang nicht einmal eine Eingangsbestätigung auf ihre Bewerbung. 30 Prozent erhalten gar keine Antwort. Die Referentin: „Das ist respektlos und alles andere als wertschätzend.“

Anzeige