Makler Dirk Sauer über die Immobilienpreise im Hamburger Süden und den Trend zur sozialen Abgrenzung.
Der Mann kennt sich aus: Dirk Sauer ist als Makler im Hamburger Süden unterwegs und hat sein Ohr direkt am Markt. Was er berichtet, lässt aufhorchen, denn zum einen gehen die Preise für die immer rarer werdenden Immobilien gerade „durch die Decke“, zum anderen registriert der 50-Jährige einen Trend: Die Trennschärfe zwischen „reichen“ und „armen“ Wohngebieten steigt spürbar an. Die einst fließenden Übergänge schwinden, stattdessen prophezeit Sauer eine Entwicklung der Abgrenzung – Nachbarschaft hat einen hohen Stellenwert bei der Kauf-entscheidung. Das führt fast automatisch dazu, dass am Ende jeder „unter seinesgleichen“ lebt.
Schallgrenze erreicht
Für Harburger Verhältnisse ist das bemerkenswert: „Wir knacken gerade die Schallgrenze“, analysiert Sauer den Markt für Wohnimmobilien im Hamburger Süden. „Wer eine Doppelhaushälfte in guter Lage erwerben möchte, muss mit einem Preis rechnen, der eine Vier vorn hat. 400 000 Euro für so ein Objekt sind zurzeit durchaus realistisch.“ Allerdings sagt er auch: „Wenn wir ganz Hamburg betrachten, ist das natürlich immer noch ein Schnäppchen-Preis, denn nördlich der Elbe werden in vergleichbaren Lagen etwa in Sasel, Bergstedt und Niendorf durchaus schon um die 600 000 Euro fällig. Die Preise sind rasant gestiegen.“
Was Sauer aus der Praxis berichtet, kann als Folge eines angespannten Marktes betrachtet werden. Historisch niedrige Zinsen sorgen nach wie vor für einen Bau- und Kauf-Boom. Immobilien gelten als sichere Anlage und Mangelware – sowohl aus Sicht von Investoren als auch von Privatleuten, die Wohneigentum schaffen wollen.
Wilhelmsburg vorn
Harburg kommt im Vergleich zu Hamburg immer noch eine Sonderrolle zu, die sich unter anderem an den niedrigeren Preisen erkennen lässt. Sauer: „Ganz anders in unserer direkten Nachbarschaft: Wilhelmsburg hat Harburg in einigen Bereichen abgehängt, was auch dort zu Preisen führt, die gut und gerne auf dem gehobenen Harburger Niveau liegen, also etwa Standorten wie Marmstorf entsprechen (immerhin die Nummer zwei im Harburg-Ranking). Sauer führt das auf die Impulse durch die IBA zurück, aber auch auf eine andere Wahrnehmung: „In der Veringstraße wird ein hoher Ausländeranteil eher als hip empfunden, im Harburger Phoenix-Viertel gehen die positiven Sanierungsimpulse gerade wieder verloren.“ Und: „Wilhelmsburg ist ein bisschen weltstädtischer, da herrscht ein völlig anderes Flair – allein schon aufgrund der mediterranen Gastronomie. Dort fällt es leichter, sich wohl zu fühlen. Dort ist es spannender. Ich denke, Harburg hat sein Konzept noch nicht gefunden.“
Auch auf der Elbinsel kostet eine Doppelhaushälfte jüngerer Bauart in guter Lage mittlerweile 400 000 Euro, sagt der Immobilienexperte. Das liege eindeutig auf dem Niveau der Harburger Achse Heimfeld-Süd, Eißendorf, Marmstorf. Und teilweise sogar noch höher.
Die hohe Nachfrage nach Immobilien und die Preisspirale sind zwar gut für den Verkäufer, aber Sauer warnt: „Wer meint, dass er heute aus dem Erlös seines Reihenhauses eine Eigentumswohnung im Harburger Binnenhafen finanzieren kann, der kann durchaus enttäuscht werden. Da wundert sich mancher, wenn er plötzlich noch einen zusätzlichen Kredit braucht.“
Wer wohnt nebenan?
Die Frage nach der Nachbarschaft nimmt laut Sauer einen immer höheren Stellenwert bei der Kaufentscheidung ein. Wer nicht nur investieren, sondern selbst wohnen will, schaut genau hin, wie es im Umfeld aussieht. Themen wie die Nahversorgung, die Verkehrsanbindung, Kita und Schulen spielen zwar immer noch eine Rolle, aber der Makler hat festgestellt: „Früher waren die sozialen Grenzen fließend. Heute herrscht zwischen dem reichen Heimfeld-Süd und dem armen Heimfeld-Nord eine scharfe Trennung. Die soziale Komponente bei der Wohnortwahl führt immer stärker dazu, dass es ‚reiche‘ und ‚arme’ Straßenzüge gibt. Das ist in Harburg stärker zu spüren als in Wilhelmsburg, wo traditionell ein hoher Ausländeranteil lebt. Die Schere zwischen guten und schwachen Wohngebieten öffnet sich, obwohl es durchaus Zeiten gab, in denen das anders war.“ wb
Die teuren Ecken in Harburg
Der Hamburger Bezirk Harburg versteht sich historisch begründet vielfach noch als eigene „Stadt“. Dieses Denken ist bei den Alteingesessenen im direkten Harburger Innenstadtbereich allerdings viel stärker ausgeprägt als beispielsweise in Neugraben oder Hausbruch. Harburg hat wiederum mehrere Stadtteile, die allerdings teilweise krasse Gegensätze aufzeigen. Besonders ausgeprägt ist dies in Heimfeld mit dem sogenannten Villenviertel im Süd-Westen und dem Norden. Auch in Harburg selbst stehen sich mit dem alten Phoenix-Viertel und den neuen Wohnungen im Binnenhafen zwei Pole gegenüber. Makler Dirk Sauer hat ein Harburg-Ranking der Immobilienpreise (Wohnen) aufgestellt – ganz oben die teuren Standorte, ganz unten die günstigen. Dort schlägt sich die Gegensätzlichkeit so nieder:
- Heimfeld
- Harburg (Binnenhafen)
- Marmstorf
- Eißendorf
- Hausbruch-Süd
- Sinstorf/Langenbek
- Rönneburg
- Neugraben-Süd
- Wilstorf