„Die Innenstädte haben eine Überlebenschance“

Visualisierung: MatrixMit dem Projekt „Neuer Pferdemarkt“ will Stade ein Ausrufezeichen zur Belebung der Innenstadt setzen. Eröffnung soll 2017 sein. Visualisierung: Matrix

Stader Wirtschaftsförderung erklärt Einzelhandel zum Topthema für 2016 und 2017.

Wer an Wirtschaftsförderung denkt, dem kommen spontan Begriffe wie Industrie, Flächenmanagement, Gewerbegebietsausweisung und Firmenansiedlungen in den Sinn, der Einzelhandel zählt jedoch nichtzwangsläufig dazu. Dass gerade dem Einzelhandel eine Schlüsselrolle zukommt, die entscheidend für die Attraktivität der Innenstädte und damit auch als „weicher Standortfaktor“ in die Ortsbewertung umsiedlungswilliger Unternehmen eingeht, wird oft erst beim zweiten Hinsehen erkannt. Thomas Friedrichs, Leiter der Wirtschaftsförderung der Hansestadt Stade, hat nicht von ungefähr für dieses und nächstes Jahr den Einzelhandel zum Topthema erklärt.

Die Einzelhandelskampagne der Stader Wirtschaftsförderung sieht gleich mehrere Bausteine vor. So wurde im Juni eine Veranstaltung mit Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln, durchgeführt. Sein Thema: Die Sensibilisierung des stationären Einzelhandels für Onlinehandel und E-Commerce. Eingeladen waren alle Innenstadtbetriebe. Die Zahlen, die Hedde per Beamer an die Wand warf, dürften manchen Digital-Verweigerer erschüttert haben – wie auch ein Zitat von dem Zalando-Inspirator und Rocket-Internet-Macher Oliver Samwer, der bereits 2014 sagte: „Geschäfte sind Mittelalter. Sie wurden nur gebaut, weil es kein Internet gab.“

Thomas Friedrichs

Thomas Friedrichs ist zuversichtlich: Trotz steigender Online-Umsätze hat der stationäre Einzelhandel einen Stellenwert bei den Kunden.

Bei so einem Einstieg ins Thema dürfte die Aufmerksamkeit der Einzelhändler garantiert gewesen sein, aber zum Glück ist nicht alles schwarz-weiß. Fakt bleibt dennoch: Der Umsatzanteil des Online-Handels am Gesamteinzelhandelsumsatz steigt von Jahr zu Jahr beständig an und liegt mittlerweile bei zehn Prozent. War es im Jahr 2000 noch eine von 428 Milliarden, so meldeten die Statistiker für 2015 bereits 46 von 468 Milliarden. Zu den Gewinnern zählen laut Hedde Fachmärkte und Filialisten, Discounter und natürlich der Online-Handel selbst. Auf der Verliererseite stehen die Kauf- und Warenhäuser, der klassische Versandhandel und die kleinen Fachhändler – wobei Letztere ausgerechnet die Attraktivität der Innenstädte ausmachen.

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Das Cross-Channel-Konzept

Hedde geht davon aus, dass das Cross-Channel-Konzept die beste Strategie und damit auch die einzige Zukunft ist. Will heißen: Wer überleben will, sollte mehrere Kanäle nutzen – zum Beispiel den klassischen stationären Laden, aber eben auch Social-Media-Kanäle und eine Internet-Präsenz. Friedrichs nahm aus dem Vortrag diese Erkenntnis mit: „Die Innenstädte sind nicht tot! Der Mensch will stationär einkaufen.“ Er registriert einen Wandel im Verbraucherverhalten: Während sich der Kunde bislang im Einzelhandel beispielsweise über eine neue Kamera informierte und dann billig im Online-Handel kaufte, sei dies heute oft andersherum: Die Information findet im Internet statt – der Kauf im stationären Handel. Dies funktioniere so lange, wie die Preis-unterschiede nicht zu groß seien.

Online-Kauf, so Friedrichs, sei ein Bequemlichkeitsthema. Solange es Städte nicht schafften, ausreichend und innenstadtnah Parkplätze vorzuhalten, sei es kein Wunder, wenn die Besucherströme ausblieben.

Der „Neue Pferdemarkt“

Vor diesem Hintergrund investiert die Hansestadt Stade im historischen Stadtkern neun Millionen Euro in den Bau eines Parkhauses auf dem ehemaligen Hertie-Parkhausgrundstück. Dort sollen ab November 2017 mehr als 500 Autos Platz finden. Insgesamt stehen dann 3700 Parkplätze im Zehn-Minuten-Radius ums Rathaus zur Verfügung. Der Projektentwickler Matrix realisiert direkt neben dem Parkhaus das Neubauvorhaben „Neuer Pferdemarkt“, ein neues Geschäftshaus mit 6000 Quadratmetern Verkaufsfläche, die bereits zu großen Teilen vermietet ist. Friedrichs ist optimistisch: „Ich glaube fest, dass die Innenstädte eine Überlebenschance haben. Der direkte Kontakt zum Händler des Vertrauens wird allgemein geschätzt.“ Insgesamt werden vor Ort gut 35 Millionen Euro investiert.

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Die Stader Offensive

Weitere Bausteine der Stader Offensive: Eine Untersuchung der CIMA Lübeck über die Online-Aktivitäten des Stader Innenstadteinzelhandels, Teilnahme am IFH-Projekt „Vitale Innenstadt 2016“ (Ergebnisse im November), Fortschreibung des Einzelhandelskonzepts 2011, Neuaufstellung der Werbesatzung für die Altstadt, Intensivierung des Leerstandsmanagements und Begleitung von Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Aktuelles Stade e.V. und einzelner Straßengemeinschaften zur Belebung der Standorte. wb