Siegerentwurf für Reichsstraßenfläche vorgestellt – 2300 neue Wohnungen bis 2025 – Der Plan kommt aus der Schweiz
Von Wolfgang Becker
Sieben internationale Planungsbüros haben sich beteiligt – den Zuschlag erhielt das Schweizer Unternehmen Hosoya Schaefer Architects aus Zürich gemeinsam mit den Landschaftsplanern Agence Ter: Bis 2025 sollen – wenn es gut läuft – 2300 neue Wohnungen auf der sogenannten „Nord-Süd-Achse“ in Wilhelmsburg entstehen. Den siegreichen Entwurf stellten Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt, Oberbaudirektor Jörn Walter und IBA-Geschäftsführerin Karen Pein jetzt auf dem IBA-Dock vor. Hinter dem Arbeitstitel „Nord-Süd-Achse“ verbirgt sich das Gebiet zwischen dem Aßmannkanal und dem Jaffe-Davids-Kanal im Herzen der Elbinsel. Die entsprechenden Flächen werden unter anderem frei, weil die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wird. Mit konkreten Bauaktivitäten ist ab 2019 zu rechnen. Zuvor werden drei neue Bebauungspläne aufgelegt.
Verzahnung von Landschaft und Siedlung
Mit 2300 neuen Wohnungen zählt das Projekt zu den großen Hamburger Wohnungsbauvorhaben, mit denen die Hansestadt auf den steigenden Siedlungsdruck reagieren will. Statt wie bisher 6000 sollen künftig 10 000 Wohnungen pro Jahr genehmigt werden, um ausreichenden Wohnraum zu schaffen, die die Senatorin noch einmal betonte. Insgesamt sollen auf der Elbinsel bis 2025 sogar 4600 neue Wohnungen entstehen, die „Nord-Süd-Achse“, die den Spreehafen im Norden mit dem Bürgerpark der Internationalen Gartenschau 2013 im Süden verbindet, ist nur eines von mehreren Projekte, gleichwohl das größte. Der Clou: Den Planern ist es gelungen, Kleingärten, Wohnungsbau und Gewerbe unter einen Hut zu bekommen und zugleich die landschaftlichen Beziehungen – Kanäle, Baumbestand, Naturflächen – so zu integrieren, dass es zu einer Verzahnung von Landschaft und Siedlung kommen kann.
Architekt und Planer Markus Schaefer: „Hamburg ist eine Stadt, in der Städtebau noch möglich ist. Wilhelmsburg ist die Antithese zur Hafen-City. Dort wird Stadt auf Brachland gebaut, hier in Wilhelmsburg sind bereits feste Strukturen gelegt. Es gibt viele Beziehungen und kleine Lebenswelten in dieser hydraulischen Landschaft, die durch das Wasser geprägt wird, die aber teilweise auch städtische Strukturen aufweist – eine spannende Aufgabe.“
So entstand das Konzept „Stadt der Gärten“. Von West nach Ost steigt die Bebauung auf der Skala vom Kleingarten bis zum Mehrfamilienhaus an. Durchweg soll in dem dichteren Bereich am Jaffe-Davids-Kanal siebenstöckig gebaut werden, ein markantes Zentralgebäude soll sogar zehn Stockwerke bekommen. Schaefer: „Aber keine Angst, wir planen keinen Hochhaussiedlung.“ Walter lobte das Konzept ausdrücklich, da es Ordnung in den Städtebau bringe, zugleich aber die vorhandenen Verhältnisse wie beispielsweise die Wettern und den Ruderclub samt Biergarten einbinde. Sogar die Trasse der heutigen Reichsstraße soll als reduzierte Wohnstraße erhalten bleiben – „als Spur, wie eine historische Römerstraße“, so Schaefer. Einst werde man sich hier daran erinnern, dass auf dieser Strecke früher CO2-emittierende Fahrzeuge unterwegs gewesen seien. Auch ein Quartierspark ist vorgesehen. Walter: „Hier hat Wilhelmsburg die Chance, ein Innovationsquartier zu bekommen, das es in dieser Form weder im Norden Hamburgs noch in Harburg gibt.“
Drei neue Bebauungspläne
Vor der Zukunftsvision stehen allerdings die Herausforderungen der Gegenwart. Laut Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (Hamburg-Mitte) sollen drei neue Bebauungspläne aufgelegt werden. Das gibt der IBA Zeit, aus dem Planungsentwurf einen Funktionsplan zu machen und vielleicht sogar interessante Detail-Ideen aus den anderen sieben Entwürfen aufzunehmen, wie der Oberbaudirektor anregte. Bürger und Unternehmen – etwa 40 Betriebe sind betroffen – wurden im Vorwege in die Planungen einbezogen. Die Senatorin betonte, dass es nicht nur um Wohnungsbau, sondern auch um die Bestandssicherung der Wirtschaftsbetriebe gehe. Das östlich gelegene Industriegebiet soll erhalten bleiben. Westlich des Jaffe-Davids-Kanals soll die Nutzung gemäßigter stattfinden. Inwieweit sich bereits vorhandene Gewerbenutzungen wie beispielsweise das Vorzeigeprojekt „Jaffe12“ an der Jaffestraße mit seinen schicken Gewerbeateliers künftig auch für das Thema Wohnen anbieten, beantwortete Walter so: „Das werden wir zu meinen Lebzeiten wohl nicht erleben.“ Allerdings gebe es ja bekannte Ausnahmeregelungen beispielsweise für Betriebswohnungen.