Wo ist das Personal geblieben?

Von CORINNA HOREIS, Diplom-Kauffrau und Personal­beraterin.

Restaurants bleiben geschlossen, Handwerker lassen lange auf sich warten, Urlauber verpassen ihre Flüge und Oma findet keinen Platz in der Pflege. Personalknappheit ist über alle Branchen hinweg spürbar. Jeder zweite Betrieb ist vom Fachkräftemangel betroffen. Nur wohin sind die Fachkräfte abgewandert?

„Bis 2040 werden etwa 8,7 Millionen Arbeitskräfte mehr den Arbeitsmarkt verlassen als in diesen eintreten“, schrieb die „Wirtschaftswoche“. Der demografische Wandel führt dazu, dass weniger junge, erwerbsfähige Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachrücken als ältere Beschäftigte in Rente gehen – das sollte inzwischen bei jedem Arbeitgeber angekommen sein.

Während der Coronakrise wurde in zahlreichen Betrieben Personal abgebaut oder in Kurzarbeit geschickt. Daraufhin suchten sich viele betroffenen Personen Jobs in anderen Branchen – und stellten dabei ganz offensichtlich fest, dass sie dort bessere Arbeitsbedingungen und günstigere Arbeitszeiten vorfinden, höhere Gehälter inklusive. Die Pandemie hat insbesondere in den Branchen, die im Lockdown waren, ein Umdenken bei den Beschäftigten ausgelöst. Wer aus der Gastronomie in den Supermarkt wechselte, stellte möglicherweise fest, dass die Arbeitszeiten flexibler und familienfreundlicher sind und die Bezahlung trotz fehlender Trinkgelder besser ist. Eine Rückkehr in den alten Beruf lehnen viele Personen nach monatelanger Schließung schlichtweg ab. Zum einen haben sie sich inzwischen in der neuen Tätigkeit gut eingearbeitet, und zum anderen haben sie Angst vor einer erneuten Schließung.

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In Branchen wie der Pflege klagen die Mitarbeiter über schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung, Überlastung und zunehmende Bürokratie. Das sind Gründe, warum auch diese Berufsgruppe in andere, hinsichtlich der genannten Kriterien attraktivere Branchen abwandert.

Was den Arbeitsmarkt zusätzlich belastet, ist die Tatsache, dass sich die Anzahl an Abiturienten in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt hat. Wer früher eine Ausbildung machte, geht heute studieren (Stand August 2022 entspricht das fast 56 Prozent der Schulabgänger; eine Änderung ist nicht in Sicht). Diese Arbeitskräfte fehlen auf dem Markt, insbesondere im Handwerk, in der Gastronomie sowie in Transport und Logistik. Die Abiturienten sehen im Studium bessere Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt, vielfältigere Perspektiven und höhere Bezahlungen.

So viel zu den ernüchternden Fakten. Ein Mangel an Fachkräften birgt immer Chancen, den Arbeitsmarkt zu verändern. In einer sehr komplexen Arbeitswelt gilt es, starre Strukturen aufzubrechen, Arbeitsmodelle flexibler zu gestalten, Gleichberechtigung zu forcieren sowie Arbeit beispielsweise unter Einsatz neuer Technologien wie Robotik anders zu verteilen, um ein (Arbeits-)Leben lebenswert zu machen.

Sind Sie dazu bereit? Arbeitgeber sind aufgefordert, die Wünsche der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen, umzusetzen und zu leben. Nur so werden Sie dauerhaft als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Es ist lohnenswert, sich mit dem Markt weiterzuentwickeln, damit kein Mangel an Fachkräften entsteht. Auf Veränderungen in Ihrer Branche, Produktwelt oder Kundengruppe reagieren Sie doch, oder?

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corinna@horeis-consult.de

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