Tutech ohne Grenzen

Martin Mahn ist Geschäftsführer der Tutech Innovation GmbH und der Tochter Hamburg Innovation GmbH. Hier steht er am Tutech- Stand beim Innovations­zirkus der WLH in Buchholz (Seiten 4 und 5). Mahn steht für grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Kooperation und Kollaboration. Foto: Wolfgang Becker

B&P-GESPRÄCH Geschäftsführer Martin Mahn über Internationalisierung, Kooperation und Strategiepartnerschaften – Anlass: 30 Jahre Technologie- und Wissenstransfer à la Tutech.

Mit ihren 30 Jahren feiert die Tutech Innovation GmbH in Harburg Anfang Oktober nicht nur einen runden Geburtstag, sie steht auch vor neuen Herausforderungen, die die bisherigen Grenzen deutlich sprengen. Deutschlands erste Technologie-Transfergesellschaft, damals als Tochter der Technischen Universität Hamburg gegründet, ist zunehmend auch auf internationalem Parkett unterwegs. Das 30-Jährige soll eher dezent und zurückhaltend gewürdigt werden, wie Geschäftsführer Martin Mahn sagt. Im B&P-Gespräch blättert er aber das Buch mit den Zukunftsperspektiven auf und zeigt, worauf es heute ankommt: Kooperation, Kollaboration sowie vernetztes Denken und Handeln weit über die Grenzen Harburgs, Hamburgs und Deutschlands hinaus.

„Alles, was den Planeten rettet . . .“

„Der französische Präsident Macron hatte die Vision einer europäischen Universität ins Gespräch gebracht, die es mittlerweile gibt. Diese Idee der grenzüberschreitenden Kooperation haben die TUHH und die Tutech gerne aufgegriffen. Wir sind dabei. Ziel ist es, im Verbund der wissenschaftlichen Einrichtungen die Antworten zur Lösung der großen Probleme zu finden – das betrifft insbesondere den Klimawandel und die daraus resultierende Notwendigkeit, die sogenannten sustainable innovations zu finden. Es geht also einfach gesprochen um alles, was den Planeten rettet“, sagt Mahn. Ein besonderes Thema aus Sicht der Tutech sind dabei die Schutzrechte für Entwicklungen oft junger Unternehmen, eine Dienstleistung der Tutech. Mahn: „Das ist häufig der Auftakt für Auftragsforschung.“

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Die Zukunft der Tutech wird sich im Gleichklang mit der TUHH verstärkt im Bereich der schon erwähnten sustainable innovations abspielen. Dieses weite Arbeitsfeld, das sich im Wesentlichen mit Themen rund um den Klimawandel und der Ressourcenschonung – also dem dehnbaren Begriff der Nachhaltigkeit – befasst, wird zu einem Schwerpunkt ausgebaut. Mahn: „Die neue strategische Initiative der TUHH lautet nicht zufällig ‚Engineering to face global climate change‘ – wir müssen uns der Herausforderung stellen und alles unternehmen, um die weitreichenden negativen Folgen des Klimawandels zu verringern. Das wirkt sich im Übrigen auch auf die Berufung neuer Professuren für die TUHH aus.“

Internationale Zusammenarbeit

Die Herausforderungen sind immens und lassen sich nicht im Alleingang beantworten. Daraus ergibt sich das nächste Zukunftsfeld für die Tutech: internationale Zusammenarbeit. Martin Mahn: „Das bedeutet, dass wir künftig noch viel stärker mit internationalen Unternehmen zusammenarbeiten werden. Und das auch im Verbund mit anderen Wissenschaftseinrichtungen. Wir sprechen da von Kooperationsforschung. Die wird insbesondere auch von der EU eingefordert, wenn Förderprojekte für Forschungsverbünde ausgeschrieben werden. Auch hier geht es um ökologische Fragestellungen und Umweltschutz sowie das Thema Sozialverträglichkeit.“

Von jeher ist die Tutech ein Bindeglied zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Braucht ein Unternehmen wissenschaftliche Unterstützung, sind TUHH-Professuren geschätzte Anlaufstellen. Über die Auftragsforschung werden die Institute kofinanziert (Stichwort Drittmittel). Martin Mahn: „Es wird weiterhin den Industriepartner geben, der die Expertise der TUHH braucht. Zunehmend werden wir aber strategische Partnerschaften schließen. Das heißt: Wir lösen nicht ein punktuelles technisches Problem im Auftrag eines Unternehmens, sondern wir schließen einen auf mindestens fünf Jahre angelegten Rahmenvertrag und schauen in dieser Zeit gemeinsam, wo sich neue Ansätze für Forschungsprojekte ergeben. Wir sind miteinander im Gespräch und entwickeln gemeinsam neue Ideen.“ Das Unternehmen ContiTech und die TUHH haben so einen Rahmenvertrag bereits geschlossen (Conti ist seit der Übernahme der Phoenix im Jahr 2004 in Harburg präsent). Mahn: „Es gibt bereits Ideen für weitere strategische Industrie-Partnerschaften. Eine weitere strategische Partnerschaft im nicht­industriellen Bereich haben wir natürlich seit Jahren mit dem Tempowerk.“

Raus aus dem Elfenbeinturm

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Als erste deutsche Technologie-Transfergesellschaft war die Tutech ursprünglich ausschließlich auf Technologie ausgerichtet. Mit Gründung der Tochtergesellschaft Hamburg Innovation wurde der Wissenstransfer jedoch auf alle Hamburger Universitäten ausgerollt, also auch die Geisteswissenschaften und den Bereich der Künste. Durchaus mit Synergien, wie Martin Mahn betont: „Einen neuen Algorithmus zu programmieren, ist eine tolle Sache, aber das sogenannte User Interface muss auch gestaltet werden, damit es intuitiv genutzt werden kann. Das ist eine Frage, die jemand aus dem Bereich der Kunst- und Kulturwissenschaften viel besser beantworten kann.“ Aus dieser Zusammenarbeit ergeben sich Synergieeffekte. Auch ethische oder juristische Fragen müssen an anderer Stelle als in einer technischen Uni behandelt werden. Bestes Beispiel: das autonome Fahren und die Frage, wie ein Rechner entscheiden soll, wenn es zum Krisenfall kommt und ein Menschenleben auf dem Spiel steht. Der berühmte Fall: Wird dann der alte Mann überfahren oder das Kind?

„Auch um Haftungsfragen müssen sich andere kümmern. Wer zahlt, wenn beim automatisierten Einparken ein anderes Fahrzeug beschädigt wird? Um dies alles zu beantworten, brauchen wir die nichttechnischen Wissenschaften. Das wird uns in Zukunft viel mehr beschäftigen“, sagt Martin Mahn. wb