Ist der Mittelstand ready for Denglisch?

Foto: Wolfgang BeckerEine Kolumne von Christoph Birkel, geschäftsführender Gesellschafter des Tempowerks|| Foto: Wolfgang Becker

Klartext von Christoph Birkel.

Wir brauchen Zuwanderung von Arbeitskräften, egal welchen Bildungsstandes. Es wird immer von dem Bedarf an Fachkräften geredet. Ja, die brauchen wir auch. Aber wenn ich in die Wirtschaft gucke, brauchen wir nicht nur hoch ausgebildete Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte in allen Bereichen. Es fehlt doch an allen Ecken und Enden.

Endlich scheint die Politik und Gesellschaft reif für die überfällige Diskussion.

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Nur: Sind wir das auch wirklich? Sind wir ready for denglish?

Denn eines muss uns klar sein: Mit der Zuwanderung kommt die gewaltige Aufgabe der Integration auf uns zu. Dabei heißt Integra­tion nicht: Wir machen aus Zugewanderten Deutsche. Integration heißt vielmehr: Die Zugewanderten lernen unsere Regeln, Gesetze und halten sich an diese, natürlich, aber im Gegenzug lassen wir den Zugewanderten auch ihre Gewohnheiten und Bräuche. Nicht weil wir so großzügig sind, sondern weil es ihr gutes Recht ist, sich nur da anpassen zu müssen, wo es notwendig ist. Eine offene Zuwanderungsgesellschaft, will sie langfristig erfolgreich sein, verändert sich mit der Zuwanderung, nimmt neue Einflüsse auf und schafft daraus Neues. Das heißt auch: Wir müssen für Veränderungen offen sein, sie willkommen heißen. Sind wir dafür als Gesellschaft wirklich bereit?

Bestes Beispiel ist die Sprache: Viele Zugewanderte werden kein Deutsch sprechen und müssen unsere Sprache erst noch lernen. Da dies naturgemäß eine Weile dauert, wird vermutlich Englisch als kleinster gemeinsamer Nenner in den Unternehmen wesentlich üblicher werden als bisher. Das erfordert also auch von den deutschen Muttersprachlern, sich mit Englisch als Sprache mehr beschäftigen zu müssen als bisher. 

Noch immer steht für viele Arbeitgeber aber außer Frage, dass potenzielle Bewerber der deutschen Sprache mächtig sein müssen. Diese Anspruchshaltung müssen wir kritisch hinterfragen. Wir sollten die Bewerber nicht nach ihrem Sprachkönnen beurteilen, sondern nach dem eigentlichen Wissen im Job und dem Willen zu lernen. Die Sprache ich wichtig, aber nicht das Wichtigste. 

Sobald wir Deutsch nicht mehr als einzige Sprache definieren, sobald wir Englisch so selbstverständlich einsetzen wie Deutsch und die Qualität der Sprache nicht mehr als Beurteilungskriterium für die Qualifikation von Mitarbeitern hinzuziehen, wird die Integration neuer Mitarbeiter aus dem Ausland erfolgreicher sein. Und die Auswahl der Mitarbeiter ist auch viel einfacher.

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Das setzt aber voraus, dass wir dazu bereit und befähigt sein müssen. Nun möchte ich nicht arrogant klingen, aber wenn ich mich in meinem Unternehmen umgucke, dann würde das viele Mitarbeiter vor große Herausforderungen stellen. Alle sprechen Englisch, aber es reicht in weiten Teilen nicht aus, kom­plexe Sachverhalte darzustellen. Und wie wäre es eigentlich, wenn ich einen englischsprachigen Vorgesetzten einstellen würde . . . ?

Daher beginnen wir jetzt, Englischsprachkurse anzubieten, damit wir vorbereitet und als Arbeitgeber attraktiv sind. Denn wir als Arbeitgeber befinden uns in einem Wettbewerb um die neuen Mitarbeiter. Wer hierbei die besseren Integrationsmöglichkeiten im Unternehmen hat, ist klar im Vorteil.

Die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland wird in hohem Maße davon abhängen, ob unsere Gesellschaft bereit ist für einen kulturellen Wandel, ob wir ready sind for Denglish.

Denn schon Charles Darwin wusste: Nicht der Stärkste wird überleben, sondern derjenige, der sich am schnellsten anpassen kann.