Hier baggert die nächste Generation auf dem Bau

Bautechnische Früherziehung à la Lindemann: Das sind die „Bagger-Kids“ der Lebenshilfe-Kita „Kinderhaus Stade“, die – natürlich unter Aufsicht – hautnah erleben durften, was es heißt, auf dem Minibagger zu sitzen und zu baggern. Foto: Alina Naujoks/Lindemann

Stader Bauunternehmen J. Lindemann GmbH & Co. KG setzt neue Maßstäbe in der Nachwuchswerbung – Gespräch mit Geschäftsführer Friedrich Witt.

Darauf muss man erstmal kommen: Mit einer genialen Werbeaktion für die nächste Generation von Baggerfahrern, Tiefbauern und Bauleuten setzt die Stader Lindemann-Gruppe neue Maßstäbe und erschließt eine Zielgruppe, die in der Baubranche bislang kaum im Fokus gestanden haben dürfte: die Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen. Für Anfang März hatte Lindemann mehrere Kindergärten eingeladen und präsentierte den mehr als 100 Kleinen drei Tage lang einen Parcours auf dem Betriebsgelände in Stade. Im Gespräch mit B&P erläutert Lindemann-Chef Friedrich Witt, dass die Aktion durchaus einen ernstgemeinten Hintergrund hat.

Denn: Die Lage ist ernst. Lindemann sucht Mitarbeiter auf allen Ebenen, registriert aber auch wie die Kannibalisierung auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte zunimmt. Die Unternehmen werben sich gegenseitig die Leute ab und merken am Ende: Der Markt ist ausgeschöpft – das Angebot reicht bei Weitem nicht aus. Friedrich Witt: „Wir suchen Bauleiter, Kalkulatoren. Mitarbeiter für die Arbeitsvorbereitung, Projektentwickler, Bauzeichner, Leute für den Einkauf – eigentlich suchen wir in allen Bereichen Mitarbeiter.“ Immerhin gelang es Lindemann Ende 2022, im Zuge einer erfolgreichen Mitarbeiterkampagne sechs neue Leute einzustellen. Zum 1. August möchte Friedrich Witt nun die nächste Azubi-Generation – Industriekaufleute, Betonbauer, Maurer – an den Start bringen, aber auch hier herrscht Flaute. Witt: „Eigentlich wollen wir einen Industriekaufmann oder eine Industriekauffrau ausbilden, aber wenn sich zwei gute Bewerber melden, nehme ich auch beide – Hauptsache, sie kommen.“

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Dass dieses Statement von Lindemann kommt, gibt zu denken, denn das Unternehmen zählt mit Sicherheit zu den attraktivsten Arbeitgebern in Stade und Umgebung. Ähnliche Töne sind allgemein in der Baubranche zu hören – am Ende, weil die Marktlage durch gestiegene Zinsen, hohe Baukosten und wegbrechende Aufträge gerade unübersichtlich ist? Dazu sagt Witt: „Wir sind als Unternehmen wahnsinnig flexibel, aber die Generation Z ist manchmal schon eine Herausforderung. Ja, die Lage am Bau ist momentan im Umbruch. Durch die Krisen ist der Einfamilienhausbau quasi zum Erliegen gekommen. Wer in der Nullzinsphase vor gut einem Jahr noch Baupläne hatte, muss nun vielleicht umdenken, weil die Finanzierung zusammengebrochen ist. Aber die Leute müssen ja irgendwo wohnen. Meine Prog­nose: Wir werden einen neuen Mietmarkt bekommen. Auch größere Wohnungen werden künftig wieder nachgefragt.“ Und: „Entgegen den Erwartungen wird Stade wachsen. Das heißt: Die Kommunen brauchen Kitas und Schulen. Auch der Gewerbebau und Bau öffentlicher Gebäude legen zu. Wir bieten krisensichere Arbeitsplätze.“

Friedrich Witt ist davon überzeugt, dass der Bau von Mehrfamilienhäusern zunehmen wird. Hier ist die Lindemann-Gruppe ohnehin aktiv. Aber ihn treibt ein Thema um, das mit einer anderen Krise zusammenhängt – dem Klimawandel: „Es geht um nachhaltiges Bauen versus bezahlbarer Wohnraum. Dieser Spagat ist nicht machbar. Oder anders gesagt: Ohne Subventionen wird beides zusammen nicht funktionieren. Hier sind politische Entscheidungen gefordert.“ Und: „Als Reaktion auf die Notwendigkeit, nachhaltig zu bauen, bleibt eines: Wir müssen die Lebenszyklen von Immobilien verlängern, um durch nachhaltige Investitionen die Energiekosten zu senken.“ wb

>> Web: www.lindemann-gruppe.de

>> Stellenangebote: https://www.lindemann-gruppe.de/ karriere/stellenangebote

Das plant Lindemann

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Pilotprojekt: Feuerwehrstraße in Stade

Hier entstehen elf Wohneinheiten mit Mieterstrom. Friedrich Witt: „Wir bauen KfW-40-Standard und investieren mehr als 100 000 Euro in PV-Anlagen und Speicher. So können wir den Mietern, wir realisieren dieses Vorhaben im Eigenbestand, geringe Nebenkosten anbieten. Das klingt erstmal gut, hat aber einen Haken: Die freie Wahl des Stromanbieters durch den Mieter wird dadurch ausgehebelt. Wir brauchen für so ein langfristiges Projekt aber einen festen Kooperationspartner, in diesem Fall die Stadtwerke Stade. Bislang hat so gut wie keine Hausverwaltung Erfahrung mit so einem Modell. Wir sind da Pioniere. Aber wir machen das jetzt einfach mal. Kurz: Wir suchen nachhaltige Mietinteressenten, die bereit sind, an so einem Pilotprojekt mitzuwirken.“ 

 Baustart: Juli 2022; aktuell in der 
Bauphase, Fertigstellung: Juli 2023

Wohnen und Arbeiten: Die Aktei im Stader Behördenviertel

Neben dem Jugendamt baut Lindemann drei Gebäude im KfW-40-Standard. Wohn- und Geschäftsräume stehen auf einem Parkgeschoss. In den beiden Wohnhäusern werden 
26 Wohneinheiten (42 bis 114 Quadratmeter) gebaut, davon jede fünfte im preisgebundenen Segment. Im dritten Gebäude sind insgesamt 434 Quadratmeter für Bürofläche vorgesehen. Friedrich Witt: „Unsere Idee: Die Wohnungen könnten für Azubis, Studenten und Mitarbeiter von Unternehmen bereitgestellt werden. Dazu suchen wie eine Handvoll Investoren, die jeder vier Wohnungen kaufen und frei vermieten. Auch das wäre eine smarte Stader Antwort auf den Fachkräftemangel.“

 Baustart: Quartal 4/2023 – Quartal 1/2024, 
Fertigstellung: geplant Ende 2025

Im Zentrum von Horneburg: Dankers Quartier

Hier steht ein fertig genehmigtes Objekt – zwei Gebäude mit 25 Wohnungen und 38 Stellplätzen – unmittelbar vor dem Baustart, doch die angekündigte Verschärfung der Förderungskulisse macht die bisherige Kalkulation möglicherweise obsolet. Friedrich Witt: „Wir haben über Monate versucht, eine Antwort zu bekommen, aber ohne Erfolg.“ Die Förderung für ein nachhaltiges Bauprojekt erhalten übrigens die Käufer der Eigentumswohnungen, die hier entstehen. Witt: „Unsere Kunden wissen also nicht, wie die Finanzierung der Wohnung am Ende wirklich aussehen wird – es geht konkret darum, ob es ein zinsgünstiges Darlehen geben wird oder nicht. Das ist ein Bankenthema, stellt uns aber vor erhebliche Vertriebsprobleme. Auch wenn die Antwort noch aussteht: Wir werden jetzt bauen. Und starten auch den Vertrieb.“ Es sei doch kein Wunder, dass die Leute mittlerweile KfW-müde geworden sind.

>> https://www.dankers-quartier.de/

 Baustart: Frühjahr 2023, 
Fertigstellung: Quartal 3/2024