B&P-GESPRÄCH Azubi-Speeddating in Stade ist ein „hocheffizientes Format“ – Schlaglicht auf den schrumpfenden Ausbildungsmarkt.
Für Dirk Immken, Abteilungsleiter für den Aus- und Weiterbildungsbereich der IHK Stade für den Elbe-Weser-Raum, war es reine Routine, für Thomas Falk, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Stade Elbe-Weser-Dreieck e.V., eine Premiere: Zum ersten Mal war er zu Gast beim alljährlichen Azubi-Speeddating im Stadeum. Konkret: 300 bis 350 junge Menschen treffen auf 40 bis 50 Unternehmen. Die einen suchen einen Ausbildungsplatz, die anderen einen Auszubildenden – eine perfekte Mischung also, die für Thomas Falk auch prompt mit einem Erfolg endete: „Wir hatten am Ende zwei tolle Bewerberinnen, mussten uns dann aber für eine entscheiden. Das ist ein hocheffizientes Format.“
Womit Falk nicht gerechnet hatte: Schon zu Beginn der Veranstaltung traf er auf vier junge Leute, die sich gezielt auf ein Gespräch mit dem AGV vorbereitet hatten: „Die saßen schon da und warteten. Junge Menschen, die orientiert sind. Das finde ich hervorragend.“ Hintergrund: Die Schulabsolventen bekommen im Vorwege eine Liste mit den suchenden Unternehmen und können sondieren, was denn passen würde. Dirk Immken im B&P-Gespräch: „Beim Speeddating herrscht eine ungezwungene Atmosphäre. Man kommt miteinander ins Gespräch und merkt auch ziemlich schnell, ob die Chemie stimmt.“ Fünf bis zehn Minuten sind für diese Gespräche angesetzt. Stimmt die Chemie, kann es auch mal ein bisschen länger werden.
Das bunte Format für den Erstkontakt wird in Stade seit 2011 angeboten und geht auf eine Kooperation der IHK mit der Agentur für Arbeit zurück. Seit 2020 ist auch die Handwerkskammer mit von der Partie, denn der Fachkräftemangel hat mittlerweile alle Branchen erreicht. Das bekam auch Thomas Falk zu spüren: „Wir hatten den Ausbildungsplatz über Monate ausgeschrieben und großen Aufwand betrieben, um jemanden zu finden. Ohne Erfolg. Bei Speeddating wurden wir dann sofort fündig.“
Die Lage bei Eisen Trabandt
Aktuell stehen bundesweit 335 000 potenzielle Bewerber 457 000 freien Ausbildungsplätzen gegenüber, wie Dirk Immken sagt. Besonders hoch ist der Druck in der Logistik, bei den Berufskraftfahrern, im Hotel- und Gastrobereich sowie im Fleischerhandwerk – alles Berufsfelder, für die es kaum Nachwuchs gibt. Doch auch hier gibt es Erfolgserlebnisse, wie Nanke Heeschen sagt, Assistentin der Geschäftsführung von Eisen Trabandt in Stade: „Wir bilden jedes Jahr einen Azubi im Bereich Lagerlogistik aus – und sind bislang immer fündig geworden.“ Allerdings hat sie auch schon erlebt, dass ein Azubi zwei Verträge unterschrieben hatte und gar nicht erst antrat. Dirk Immken: „Wir hatten hier schon Experten mit fünf Ausbildungsverträgen . . .“ Dazu Thomas Falk: „Das ist sehr ärgerlich, bleibt aber sanktionslos. Da fallen in Unternehmen dann ganze Ausbildungsjahrgänge weg.“ Die Rückabwicklung bedeute zu dem einen immensen Verwaltungsaufwand sowohl bei den Unternehmen als auch in der IHK, wie Dirk Immken sagt.
Problemfeld Berufsschule
Auch für Nanke Heeschen sind solche Fälle schwierig: „Wir bilden für den eigenen Bedarf aus. Neue Mitarbeiter werden ja dringend gebraucht.“ Das heißt: Wer seine Lehre erfolgreich abschließt, hat eine berufliche Perspektive. Nanke Heeschen: „Jeder zweite unserer 130 Mitarbeiter hat seine Ausbildung bei Trabandt gemacht.“ Dirk Immken verweist auf das Ergebnis einer IHK-Umfrage, wonach die Übernahmequote mittlerweile bei 75 Prozent liegt – auch ein Indiz für die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt, zumal die Zahl der Schulabgänger noch bis 2029 rückläufig sein wird. Thomas Falk: „Bis dahin sind alle Babyboomer im Ruhestand.“ Von 48 000 Unternehmen im IHK-Bezirk bilden derzeit rund 3600 aus. Dirk Immken weist noch auf ein anderes Problem hin: „Bei weiter sinkenden Schülerzahlen bekommen auch die Berufsschulen Probleme, denn 14 Schüler pro Klasse sind Minimum. Bekomme ich die nicht voll, kann der Beruf vor Ort nicht ausgebildet werden. Dann wird es noch problematischer, denn auf Blockbeschulung im Internat irgendwo im Land haben junge Leute heute schon mal gar keine Lust. Deshalb müssen wir dringend neue Schulmodelle finden, um Ausbildung vor Ort zu halten.“ Gelungen ist das schon mal, als vor wenigen Jahren ein rollierendes Beschulungssystem für den Ausbildungsberuf Kaufmann für E-Commerce eingerichtet wurde. Das Glück: Es gab Überschneidungen mit den Lehrinhalten aus dem IT-Bereich.
Nanke Heeschen berichtet, dass Eisen Trabandt die Ausbildung zum Kaufmann für Digitalisierungsmanagement eingestellt hat, weil die Schule nur noch in Hamburg angeboten wird. „Wir haben dann auf Kaufmann für IT-Systemmanagement umgestellt. Das geht noch und ist zum Teil inhaltlich identisch.“ wb