B&P-GESPRÄCH zum Thema Gründung mit Dr. Steffen Egner (MediaAnalyzer) und Nils Neumann von der Tutech Innovation
W as in einer Garage begonnen wird, gilt landläufig als erfolgsversprechend, denn die Geschichte von Microsoft-Gründer Bill Gates ist mit dieser Assoziation fest verknüpft. Was aber ist eigentlich ein Gründungserfolg? Und wie ist er zu messen? Um diese und andere Fragen ging es im B&P-Gespräch mit Dr. Steffen Egner, Gründer und Geschäftsführer der MediaAnalyzer Advertising Research GmbH in Hamburg, und Nils Neumann, Leiter des Bereichs Gründungsunterstützung der Tutech Innovation GmbH in Harburg. Wenn Wissenschaft und Wirtschaft zueinanderfinden, ist es gefragt, Gründungsideen genau unter die Lupe zu nehmen – wobei es nicht weiter schlimm ist, wenn der Gründungsort keine Garage ist.
Der MediaAnalyzer kann zumindest phasenweise auf das Garagen-Motiv verweisen. Das Unternehmen mit Sitz am Glockengießerwall in Hamburg und Blick auf den Hauptbahnhof ist 20 Jahre alt und geht auf eine Idee zurück, die Steffen Egner bei einem Auslandssemester in Pasadena (Wohnort: eine Garage) gemeinsam mit seinem Schweizer Studienkollegen Christian Scheier in den Sinn kam. Egner, der Informatiker und Student der Kognitionswissenschaften, und Scheier, der Psychologe, entwickelten ein neues und später sogar patentiertes Verfahren zum Thema AttentionTracking. Übersetzt: Es ging um die Aufmerksamkeitsmessung von Anzeigen, Plakaten und Werbespots im TV-Format, die Frage „Wohin schaut der Betrachter?“, und was das über die Wirksamkeit der beabsichtigten Werbebotschaft aussagt.
Alternative zum Eyetracking
Steffen Egner: „Bereits seit den 1960er-Jahren wurde das Eyetracking genutzt. Dabei wurde den Probanden eine Brille aufgesetzt, über die gemessen werden konnte, wohin der Blick fällt und wie der Blick beispielsweise über eine Werbeanzeige wandert. Wir dachten uns, das müsste doch auch einfacher funktionieren. Und so entwickelten wir ein neues Verfahren, das auf der Synchronisation von Auge und Computermaus basiert, also mit Auge/Hand-Koordination zu tun hat. Dabei führen die Probanden unter Zeitdruck den Cursor auf dem Bildschirm immer an die Stelle, auf die der Blick fällt. Das funktioniert nach einer kurzen Eingewöhnung sehr gut und macht den hohen technischen Aufwand überflüssig, der beim Eyetracking anfällt.“
Gute Idee, aber wie lässt sich damit Geld verdienen? Auch da hatten Egner und sein damaliger Kompagnon eine Idee: „Wir wollten unser Verfahren in Lizenz an die Agenturen verkaufen, die Eyetracking benutzten. Die waren auch superinteressiert, hatten aber keine Lust, etwas Neues einzuführen. So wurde es nichts mit dem erhofften Geldsegen.“ Und weiter: „Man gab uns den Rat, selbst in die Werbung zu gehen. Doch wir hatten überhaupt keine Ahnung, wie das gehen könnte.“ Das war die Zeit, etwa im Jahr 2000, als die Tutech ins Spiel kam.
Hoffnung auf Venture Capital . . .
Egner: „Wir brauchten ein paar Jahre, um unsere Rolle zu finden. Dabei half uns das Hamburger Existenzgründungsprogramm. Mit dem Geld, heute würde man Stipendium sagen, konnten wir eine Phase überbrücken. Außerdem nahmen wir an Business-Plan-Wettbewerben teil, gewannen mehrfach und bekamen Preisgelder. So ging es weiter. Schließlich gewannen wir den Multimedia-Wettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums und dachten, dass nun endlich Venture-Capital-Geber aus der Jury auf uns aufmerksam werden würden. Dort saßen die größten VC-Unternehmen. Doch dann brach der Neue Markt zusammen. Krisenstimmung. Das war es dann wieder.“ Leider gebe es in Deutschland bis heute keine ausgeprägte VC-Szene.
Egner, der mittlerweile allein mit dem MediaAnalyzer unterwegs war, brauchte zehn Jahre, bis es endlich stabil lief. Heute betreuen er und seine Mitarbeiter namhafte Kunden, die wissen wollen, wie ihre Marke in der Werbung performt. Überwiegend gehe es um TV-Spots, Radio-Spots und Plakate. Zum AttentionTracking hat sich inzwischen das EmotionTracking hinzugesellt. Eine Neuentwicklung. Und ist die Gründung damit erfolgreich? Steffen Egner: „Wir sind nach 20 Jahren immer noch da. Man ist nie fertig. Aber wenn mein Unternehmen morgen pleite wäre, so wäre es dennoch ein Erfolg, denn ich hätte 20 Jahre lang Menschen Arbeit gegeben. Die haben hier Geld verdient. Ich finde schon, dass das auch ein wesentlicher Aspekt für Erfolg ist. Die Frage ‚Habt ihr es geschafft?‘ kann man nie beantworten. Aber die Frage ‚Würde ich es noch einmal so machen?‘ schon und eindeutig: mit ja.““
„Wir müssen nicht nett sein“
Gründungsberater Nils Neumann, der 2000 noch in anderer Funktion für die Tutech tätig war, kennt viele Gründergeschichten und auch Träume, die zerplatzt sind. Gute Ideen kennt er auch, aber er sagt: „Wir sind diejenigen, die im Beratungsgespräch nicht nett sein müssen. Die Verwandtschaft ist üblicherweise nett, weil sie unabhängig von den Erfolgsaussichten einer Gründungsidee unterstützen und motivieren will. Wir schauen auf die Fakten und Rahmenbedingungen – und unterstützen bei der Beantwortung von Fragen wie diesen: Wer braucht das? Was bietet der Markt? Sind alle Kompetenzen im Team vorhanden? Was kostet das? Wie kriege ich meine Botschaft an den Kunden? Wie erreicht meine Leistung den Kunden? Solche einfachen Fragen müssen geklärt sein. Das harte Zahlenwerk eines Businessplans kommt erst ganz zum Schluss eines Prozesses, der im Bereich der wissensbasierten Gründungen sechs bis 18 Monate dauert.“ wb
>> Web: https://tutech.de/gruenderunter stuetzung/; www.mediaanalyzer.com