Kunst trifft Künstliche Intelligenz: Tempowerk präsentiert den AI Art Splash, Vol. 1.0
Also noch einmal: „Male mir Dr. Frankenstein in Rot mit langen Zähnen, wie er ein Schwein frisst . . .“ Den „Generieren“-Button drücken und warten. Wieder nichts. Die KI bringt ein Foto hervor, das eine Art knuffigen Teddy zeigt. Dieses Bild könnte Eins zu Eins für ein Kinderbuch verwendet werden – eine Erfahrung beim ersten AI Art Splash in der Schmiede im Tempowerk (AI steht für Artificial Intelligence, auf Deutsch: KI). Eingeladen hatten Tempowerk-Chef Christoph Birkel und sein Team in Zusammenarbeit mit „Aufbruch Hamburg“ und dem Artificial Intelligence Center Hamburg (Aric e.V.). Zielgruppe: Menschen, die sich für Künstliche Intelligenz und Anwendungen im Bereich Kunst und Gestaltung, für KI und Musik sowie KI und Text interessieren. Ein Top-Event mit interessanten Diskussionen, erstaunlichen Einblicken, optimistischen Prognosen und der Möglichkeit, die KI dazu zu bringen, beispielsweise ein gruseliges Bild zu erzeugen. Vorab: Das funktionierte in diesem Fall nicht . . .
Kollektives Gedächtnis
Seit Juli dieses Jahres gehört der Computerlinguist und Kommunikationswissenschaftler Werner Bogula zum Aric-Team. Der erfahrene Entwickler beantwortete beim AI Art Splash in Harburg als Startredner die Frage, ob KI kreativ sein kann. Die Antwort ist differenziert zu betrachten, denn die Bereiche Combinatorial Creativity und Explorative Creativity (in unerwarteter Weise kombinieren), so Bogula, beherrschten die Systeme recht gut, wogegen die nächst höhere Ebene, die Transfernational Creativity (Veränderungen hervorbringend) nicht gut funktionieren. Noch nicht.
Der Referent gab auch ein paar Stichworte, wie KI grundsätzlich aufgebaut ist. Zum einen sind die Systeme intensiv trainiert, zum anderen greifen sie wie beispielsweise die Text-KI auf das Wissen der Welt zurück. Bogula: „Wir sprechen hier von einem Bedeutungsspeicher im Sinne eines kollektiven Gedächtnisses. Das Besondere: Dieses Wissen ist für jedermann ohne Vorkenntnisse abrufbar und wird durch Prompting verfügbar.“ Da steckt allerdings der Haken. Die Formulierung von möglichst genauen Anweisungen an die KI (Prompting) ist Voraussetzung für das Erzielen erquicklicher Ergebnisse. Bogula: „Dazu muss niemand eine Programmiersprache lernen, er muss einfach nur richtig fragen.“
Werner Bogula nannte als Beispiel die Wortvorschläge, die ein Smartphone beim Formulieren von Nachrichten macht. Beispiel: Auf „Alles“ folgt automatisch „Gute“ und gleich darauf „zum Geburtstag“. Ein Smartphone lernt mit und bietet Besitzern typische Lösungen an. Bogula: „Eine assoziative Wortergänzung. Nichts anderes macht die KI.“ Die Schlüsselqualifikation für den KI-Nutzer sei jedoch das Prompting – die punktgenaue Anweisung „an die Maschine“.
Glasklar ist, dass KI bereits jetzt revolutionäre Züge hat. ChatGPT von Open AI kam im November heraus und hatte bereits nach nur zwei Monaten 100 Millionen Nutzer. Bogula: „Das war der große Durchbruch.“ Die bei jungen Leuten beliebte App TikTok brauchte dazu neun Monate, Instagram bereits zwei Jahre. KI hat also brandschnell einen Markt erobert. Die Kommunikation wie mit einem anderen Menschen sollte jedoch über eines nicht hinwegtäuschen, wie Werner Bogula betonte: „KI hat keine Intention, verfolgt kein Weltmodell, hat keine Persönlichkeit und auch kein Bewusstsein.“ Ein Satz, den man sich merken sollte.
12min.me mit KI-Gesicht
Was KI im gestalterischen Bereich hervorbringt, erläuterte Dr. Ayse Glass von der Hafencity Universität Hamburg, Spezialgebiet Akustik, sowie das algorithmische und generative Design. Um Letzteres ging es bei einem Rundgang durch eine Ausstellung von KI-generierten architektonischen Stadtansichten. Sie sagte: „Mit KI können wir alles machen. Wir können Berlin und Hamburg mischen und sehen, was dabei herauskommt. Wir können Städte unter Wasser konstruieren lassen. Und wir können alle Architekten und Designer werden.“ Wenn es denn mit dem Prompting klappt.
Am Abend erlebte Harburg das erste 12min.me, ein relativ neues Diskussionsformat, das die Macher mittlerweile sogar ins Ausland exportiert haben. Das Prinzip: 12 Minuten Vortrag, 12 Minuten Fragen, 12 Minuten Austausch/Diskussion unter den Teilnehmern. Das Ganze drei Mal hintereinander. Im Tempowerk wurde ein 12min.create durchgeführt, eröffnet von Nishargo Nigar, die KI-generierte Modedesigns vorstellte, sozusagen die individualisierte Gestaltung von Kleidung durch jedermann, die dann in Bangladesch gefertigt werden könnte. Ihre Aussage, „Wie kann Dein Style die Welt verändern?“ führte zu der fast philosophischen Frage, ob denn ein Style noch individuell sein kann, wenn er von KI generiert worden ist.
Zum Abschluss dann ein Auftritt, auf den viele Besucher gewartet hatten. Der dritte Durchgang von 12min.me wurde von „Elektra“ bestritten – die virtuelle Dame stand im Gespräch mit ihrem geistigen Vater, Rüdiger Höfert, Inhaber von Absolute Software, Frage und Antwort und überraschte durch Ironie, manche meinten auch, ein gewisses Maß an Frechheit herausgehört zu haben. Die Antworten kamen zwar verzögert und ein Systemabsturz brachte den Avatar „Elektra“ zeitweise zum Schweigen, grundsätzlich beeindruckte jedoch die Idee, dass eine KI-Software in der Lage ist, sich im Gespräch mit einem Menschen dessen sprachliche Charakteristik aufzunehmen und sich anzueignen. Nicht ausgeschlossen, dass solche Systeme eines Tages Menschen in Pflegeheimen die Zeit vertreiben . . .
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