„Jeder Fall ist anders“

Gelassen auf der Dachterrasse vor der Kulisse des Harburger Binnenhafens: Rechtsanwalt Tim Wöhler (links) und Steuerberater Hans-Peter Schubert, beide Partner in der Kanzlei Dierkes Partner. Foto: Wolfgang Becker

Tim Wöhler und Hans-Peter Schubert von Dierkes Partner: Steuerrecht und Juristerei sind zwei komplexe Arbeitsbereiche, bei denen KI an Grenzen stößt.

W er mit Texten und Berichten arbeitet, macht sich zurzeit Gedanken, inwieweit die KI-Textgeneratoren à la ChatGPT & Co. Einfluss auf den Geschäftsbetrieb nehmen werden. Das gilt auch für Steuerberater Hans-Peter Schubert und Rechtsanwalt Tim Wöhler, beide Partner der Hamburger Kanzlei Dierkes Partner, deren Harburger Ableger am Veritaskai im Binnenhafen sitzt. Mit beiden sprach B&P über die aktuelle KI-Debatte und den möglichen Einzug in ein Berufsfeld, in dem es besonders auf exakte Formulierungen, manchmal sogar nur ein einziges Wort ankommt.

Wir treffen uns entspannt beim Kaffee, und wenn man es genau nimmt, so gehen sowohl Schubert als auch Wöhler sehr entspannt mit dem Thema um – obwohl: „In abgeschwächter Form arbeiten wir schon seit Jahren so“, sagt Hans-Peter Schubert und verweist auf den Zugriff der Steuerberater auf die umfangreichen Datenbanken von Fachverlagen. „Wenn ich einen Fall recherchiere, gebe ich ein paar Stichworte ins System ein und bekomme eine Liste mit Urteile und Querverweisen. So suchen wir. Das ist quasi eine Vorstufe.“ Und: „Es gibt heute kaum noch Fachliteratur in gebundener Form. Früher standen die Regale voll mit Kommentaren und Fachbüchern . . .“

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Ergebnis war schlicht falsch

Auch die Juristen von Dierkes Partner arbeiten digital. Tim Wöhler sagt: „Bei der KI geht es natürlich einen Schritt weiter, denn die würde im Zweifel auch noch Fragen stellen und dann selbstständig suchen. Für uns als Juristen ist aber immer die Frage der Quellen entscheidend.“ Der Spezialist hat allerdings noch einen anderen Punkt: „Ein gutes Ergebnis ist bei der automatisierten Erstellung von Texten eine Frage der Datenmenge, die als Basis zur Verfügung steht. Zudem stehen die Fälle ja nicht gebündelt im Internet. Also: Haben wir hier bei Dierkes Partner so viele Daten, dass uns KI wirklich helfen könnte?“

Wöhler hat den KI-Einsatz bereits getestet: „Es ging um einen juristischen Text – und das Ergebnis war schlichtweg falsch.“ Was ihn dennoch beschäftigte , war ein ganz anderer Aspekt: „Ich wollte meine Tochter mit zu einem Vortrag nehmen, damit sie sich mit dem Thema einmal befasst. Aber die hat mich nur komisch angeguckt und mir erzählt, dass sie in der Schule schon seit November letzten Jahres mit ChatGPT experimentieren . . .“

Da es intern auch noch keine so großen Datenmengen gibt, die als Datenmasse den sinnvollen KI-Einsatz erfordern und ein Invest rechtfertigen könnte, geht Tim Wöhler davon aus, dass es noch etwas dauern wird, bis diese Technologie flächendeckend im Alltag der Juristerei angekommen ist. Hans-Peter Schubert sieht überdies durchaus Risiken: „Und die sind meines Erachtens immens. Gerade in unserem Bereich braucht es Verständnis für die einzelnen Fälle, um die richtigen Rückschlüsse zu ziehen. KI-Einsatz dürfte dazu führen, dass dieses Verständnis verkümmert. In der Folge davon wird sich der Typus Mensch verändern, was wiederum Auswirkungen auf die Mitarbeiterprofile haben wird. Meine Frage: Wie gehen wir damit um, wenn Arbeit nicht mehr die Bedeutung hat?“

Unter dem Strich verweisen sowohl der Steuerberater als auch der Jurist auf das jeweils komplexe Arbeitsfeld. Beide sagen unisono: „Jeder Fall ist anders.“ Im allgemeinen Bereich könne es aber durchaus zu KI-Einsatz kommen. Schubert: „Wenn ich beispielsweise mal einen Vortrag zu einem allgemeinen Thema halten muss, dann kann KI durchaus helfen. Aber ansonsten stößt ChatGPT in unserem Bereich derzeit noch an Grenzen.“ wb

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>> Web: www.dierkes-partner.de