Von Heinrich Wilke.
Wie viel Kraft wollen wir aufwenden, um die energetische Qualität unserer Gebäude zu verbessern? Wie viel Technik ist hilfreich, um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren?
Wer aktuell vor der Aufgabe steht, ein Haus bauen oder modernisieren zu müssen, rauft sich die Haare: Die Materialpreise schießen durch die Decke, und die Zinsen steigen. Die Anforderungen an die energetische Qualität wachsen, aber das verfügbare Einkommen der zukünftigen Mieter oder Käufer stagniert. Und ganz nebenbei hat die Bundesregierung die wichtige KfW-Förderung kurzerhand auf Eis gelegt. Sie arbeitet mit Hochdruck an einer neuen Fördersystematik und an neuen Bauvorschriften, aber es ist zu befürchten, dass weiter an der Schraube der Energie-Effizienz gedreht wird – sowohl im Bestand als auch beim Neubau.
Das bedeutet: Unsere Gebäude bekommen eine noch dickere Hülle und vor allem mehr Technik verpasst. Automatisierte Systeme zum Lüften, Heizen, Kühlen, Verschatten und Beleuchten, zum Energieerzeugen und -speichern, zum Ablesen, Auswerten und Abrechnen. Das intelligente Haus wird in der Lage sein, die vorhandenen Ressourcen und Komponenten deutlich effizienter aufeinander abzustimmen, als dies jemals ein Mensch tun könnte. Den Nutzern wird in Aussicht gestellt, zukünftig Geld zu sparen, weil ja die Energiekosten sinken. Die tatsächliche Entwicklung der Wohnnebenkosten zeigte bislang jedoch nur in eine Richtung. Und zwar nach oben, da auch der Aufwand für Service und Wartung überproportional gestiegen ist. Und ob sich die Mehrheit der Menschen, die in den Hightech-Wohnungen leben, der Technik unterordnet oder gegen sie arbeitet, muss sich noch zeigen.
Ein Forschungsprojekt
Im Rahmen eines im Mai durchgeführten Workshops des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden zum Thema „Klimagerechtes Bauen“ wurde das bundesweit beachtete Leuchtturm-Projekt „Moringa“ vorgesellt, welches neue Maßstäbe in Bezug auf das ökologische Bauen setzen will. Die unendlich lange Liste der beteiligten Büros für die Fachplanungen lässt erahnen, wie komplex dieses sehr beeindruckende Bauvorhaben bereits in der Vorbereitungsphase ist.
In der bayerischen Stadt Bad Aibling läuft derzeit ein bemerkenswertes Forschungsprojekt, welches in eine andere Richtung zeigt. Gebaut wurden dort drei Häuser, eines aus Massivholz, eines aus Dämmziegel und das dritte aus Leichtbeton und alle mit einschichtigern Wand- und Deckenkonstruktionen ohne zusätzliche Dämmstoffe. Wichtig waren weiterhin eine geringe technische Komplexität, eine natürliche Lüftung, eine handwerkliche Bauweise, der Verzicht auf Verbundstoffe und ein geringer Aufwand im Betrieb. Durch ihre Einfachheit sollen die Gebäude langlebiger werden. Sie passen sich besser an zukünftige Wohnbedürfnisse und Standards an, und am Ende ihres langen Lebens sollen sie auch einfach wieder zurückgebaut werden können, ohne Abfall zu produzieren.
Hinsichtlich der energetischen Standards ist die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen aus Kiel kürzlich zu dem Ergebnis gekommen, dass alles oberhalb Energiestandard KFW-70 unwirtschaftlich sei und empfiehlt daher, einen mittleren Standard zu bauen und diesen mit grüner Energie zu beheizen.
Wir müssen stärker darüber nachdenken, wie wir das Planen, Bauen und Wohnen einfach halten und wie wir die Langlebigkeit unserer Gebäude verbessern. Ein konventionell gebautes Haus, welches nach 40 oder 50 Jahren abgebrochen werden muss, weil es sich nicht mehr an veränderte Rahmenbedingungen anpassen kann, wird immer einen großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen, denn der größere Anteil der Energie wird dann in der Bauphase verbraucht und der kleinere fällt in der Nutzungsphase an. Wir sollten uns also darauf konzentrieren, schon in der Bauphase klimafreundlich zu denken.
Und wir dürfen die Balance nicht verlieren zwischen regional verfügbaren Baumaterialien und handwerklicher Kompetenz auf der einen und industriell hergestellten, technisch komplexen Komponenten auf der anderen Seite. Nicht das, was technisch möglich ist, zeigt den Weg, sondern die Betrachtung des Ganzen und die Fokussierung auf das Wesentliche.