Michael Niemeyer, geschäftsführender Partner in der Kanzlei SchlarmannvonGeyso, kommentiert die Situation auf dem Arbeitsmarkt.
Michael Niemeyer ist top vorbereitet. Zur Einstimmung auf das Thema für den B&P-BusinessTalk hat er ein paar aktuelle Zahlen herausgesucht und daraus den logischen Schluss gezogen: „Das Thema Fachkräftemangel wird uns noch lange begleiten. Mindestens zehn Jahre.“ Mit Zahlen kennt sich der Steuerberater aus, und als geschäftsführender Partner der Kanzlei SchlarmannvonGeyso ist er in seiner täglichen Arbeit ständig damit konfrontiert, dass Unternehmen über fehlende Mitarbeiter klagen. Und nicht nur die: „Auch wir suchen Mitarbeiter: zum Beispiel Lohnbuchhalter, Steuerfachangestellte und Finanzbuchhalter, Anwälte und Steuerberater. Wir könnten in jedem Bereich einstellen – insgesamt geschätzt fünf bis zehn Personen in Hamburg-Mitte, Harburg und Buchholz.“ Der demografische Wandel ist längst kein Branchenthema mehr, sondern allgegenwärtige Realität in ganz Deutschland und mittlerweile auch in den eigentlich noch recht gut aufgestellten Metropolen.
Niemeyer: „In Deutschland gehört bereits fast jeder vierte Beschäftigte zur Altersgruppe Ü55. In den kommenden zehn Jahren scheiden 7,3 Millionen Menschen aus dem Arbeitsleben aus, darunter mehr als zwei Millionen in Berufen, die heute schon unter dem Fachkräftemangel leiden.“ Das gelte beispielsweise für den Bereich Logistik, in dem jeder Dritte älter als 55 Jahre ist, und in der Gesundheitsbranche – hier sind demnach 40 Prozent über 55. Rund 90 Prozent der ausgeschriebenen Stellen könnten schon heute nicht besetzt werden.
Aus der Praxis berichtet Niemeyer: „Fachkräftemangel ist zurzeit das Thema. Es gibt in unserer Mandantschaft, insbesondere im Bereich Logistik, mittlerweile Unternehmen, die Mitarbeiter nur für das Recruiting einstellen. Das hat es früher nicht gegeben. Da reichte eine Stellenanzeige aus.“ Darüber hinaus gebe es Mandanten aus dem Pflegebereich, die zum Teil heftige Personalprobleme haben. Aber auch IT-Leute, Ingenieure und Handwerker seien stark gesucht. Ein weiteres Problem: Diese Betriebe fänden auch kaum geeignete Azubis.
Durch die Pandemie waren Steuerkanzleien extrem gefordert – beispielsweise bei der Beantragung von Corona-Hilfen. Aus diesem Hochlauf heraus macht sich der Fachkräftemangel besonders bemerkbar. Der Steuerberater: „Wir haben sehr, sehr viel zu tun. Wir haben sehr viele Aufträge und einen guten Zulauf an Neumandaten. Durch Corona wurden wir zusätzlich gefordert – und das hat sich bis heute kaum geändert. Wir sind fast noch auf demselben Level.“
Corona beschleunigte zudem die Digitalisierung in vielen Unternehmen enorm – so auch in der Kanzlei SchlarmannvonGeyso, die nach dem ersten Lockdown im März 2020 sehr schnell handlungsfähig war und nahtlos weiterarbeiten konnte. Dazu sagt Niemeyer: „Die Digitalisierung haben wir sehr stark gepusht, aber sie bringt nicht nur Erleichterung, sondern kostet auch Arbeitskraft. Das führte dazu, dass unsere Arbeitskräfte noch mehr gebunden wurden und wir noch mehr Leute gesucht haben.“ Die Lehre: „Kurz- und mittelfristig bringt Digitalisierung nicht die Entlastung, die ihr vielfach zugeschrieben wird.“ Niemeyer rechnet damit erst in den kommenden Jahren: „Noch ist das nicht der Fall.“ wb
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