Personalberaterin Corinna Horeis über die Vorteile regionaler
Kenntnisse bei der Besetzung von vakanten Stellen.
Es sind nur ein paar Jahre vergangen, seit sich das Blatt gewendet hat: Als der Arbeitsmarkt für Arbeitssuchende noch eher ein Goldgräberfeld war (ab und zu fand sich mal ein gutes Stück . . .), war es bei bestimmten Qualifikationen beinahe selbstverständlich, dass Arbeitswege von bis zu 100 Kilometern hingenommen wurden. Oder aber dass der Umzug einkalkuliert werden musste. Deutschland war auf dem Weg zu einem Land der „Wanderarbeiter“. Doch bereits vor Corona grassierte der Fachkräftemangel in einigen Branchen, und jetzt zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die heranrollende Welle noch viel höher werden könnte, als in Pandemie-Zeiten ohnehin schon spürbar ist. Das hat auch Auswirkungen auf die Personaldienstleister, die im
Recruiting arbeiten: Regionalität wird plötzlich zu einem echten Heimvorteil, wie Corinna Horeis bestätigt.
Die Buchholzerin arbeitet – von wenigen Ausnahmen abgesehen – fast ausschließlich regional in der Metropolregion Hamburg Süd. Sie sagt: „Viele Kunden schätzen es, dass ich regional tätig bin und mich hier auskenne. Regional heißt in diesem Fall Hamburg sowie die südlichen Landkreise bis Stade im Westen, Uelzen im Süden und Dannenberg im Osten.“ In ihrer Anfangszeit hatte Corinna Horeis auch Kunden in ganz Deutschland, beispielsweise in München, wie sie sagt: „Aber da kenne ich mich schon allein geografisch gar nicht aus. Es ist jedoch sehr hilfreich, wenn man auch die örtliche Infrastruktur überblicken kann, nur so lässt sich einschätzen, ob ein Kandidat für einen Job infrage kommt, oder beispielsweise aufgrund umständlicher Wege eher zu einem unsicheren Kandidaten wird, der schnell wieder abspringt. Auf unsere Region bezogen heißt das: Wenn sich ein Stader für einen Job in Buchholz interessiert, dann werde ich ihn darauf hinweisen müssen, dass der tägliche Arbeitsweg vor allem mit dem öffentlichen Personennahverkehr vergleichsweise umständlich ist. Geht es um einen Führungsjob, ist das unerheblich, aber für einen gewerblichen Mitarbeiter beispielsweise in der Logistik, der auf Bus und Bahn angewiesen ist, passt das eher nicht.“
Warum diese Fürsorge? Da hat einen ganz praktischen Grund: Stellen sollen nachhaltig besetzt werden, denn an „Eintagsfliegen“ hat kein Arbeitgeber Interesse. Er profitiert also ebenfalls von den regionalen Kenntnissen der Personalberaterin. Da sich der Arbeitsmarkt aber zugunsten der Arbeitnehmer gewendet hat, sind die sogenannten „weichen Faktoren“ plötzlich ausschlaggebend. Für eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist ein langer und umständlicher Arbeitsweg abträglich. All dies kalkulieren Recruiter wie Corinna Horeis mit ein. Die Qualifikation für eine Stelle steht zwar im Zentrum, aber das „Drumherum“ nimmt immer höheren Stellenwert ein.
Der Blick aufs „Drumherum“
Corinna Horeis: „Wenn ich Stellen in der Region besetzen soll, ist die geografische Orientierung ein großer Vorteil. Das Thema Infrastruktur beziehungsweise Erreichbarkeit ist deshalb ein Punkt, den ich klären muss. Wer allerdings in der Südheide wohnt oder im Kehdinger Land hinter Stade, der hat es häufig nicht so leicht, eine Stelle zu finden, die auch einen bequemen Arbeitsweg verspricht. Es sagt allerdings auch etwas über die Kandidaten aus, die in den nicht so gut erschlossenen Gebieten der Region wohnen und sich um eine neue Stelle bemühen. Das sind bodenständige Leute. Wer heimatverbunden ist, bleibt in der Regel auch länger im Unternehmen.“
Als Azubi hin, als Fachkraft zurück
Die Personalberaterin hat einen weiteren Trend ausgemacht: Immer mehr Menschen ziehen aus dem Zentrum der Hansestadt Hamburg in das niedersächsische Umland. Sie sagt: „Für Menschen, die den Süden nicht kennen, stellt die Elbe nach wie vor eine psychologische Grenze dar, aber wer den Sprung gen Süden wagt und sich hier niederlässt, macht durchweg gute Erfahrungen. Dann beginnt eine Art Umorientierung.“ Für Corinna Horeis ist Hamburg als Recruiting-Gebiet auch deshalb interessant, weil viele junge Niedersachsen ihre Ausbildung in Hamburger Unternehmen absolvieren und irgendwann als Fachkräfte in ihre Heimatregion zurückkehren. Die lassen sich dann schneller gewinnen.
Durch Corona war das Berufsleben der Buchholzerin im zurückliegenden Jahr ebenfalls etwas gehandicapt, zumal persönliche Kontakte zu Kandidaten oder auch Kunden vielfach unmöglich waren oder Firmen eher zögerlich einstellten. „Hier ist die Digitalisierung der Kommunikation aber sehr hilfreich – Erstkontakte lassen sich per Video-Chat gut machen. Einen ersten Eindruck gewinne ich so alle Mal. Normalerweise entscheidet sich in den ersten Sekunden, ob jemand passen könnte oder nicht. Ob ein Kandidat interessiert und positiv eingestellt ist, höre ich auch am Telefon sofort. Zielt die erste Frage beispielsweise auf die Zahl der Urlaubstage ab, wird es halt problematisch . . .“ Und sie hat auch einen Tipp für Arbeitgeber: „Die Unternehmen wollen, dass der neue Mitarbeiter ‚funktioniert‘, aber sie verpassen häufig, sie oder ihn richtig zu integrieren. Dann geht das schnell schief . . .“ wb
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