Eine Generation enteilt in die Rente: Steuerberater Herbert Schulte beantwortet eine wichtige Frage: Wie viel darf ich hinzuverdienen – und lohnt sich das überhaupt?
Der Erstkontakt ist ernüchternd: Wer aus Altersgründen das Vorrecht hat, schon mal ein Vor-Checking bei der Rentenberatung zu absolvieren, der dürfte sich schnell die Frage stellen, ob denn das, was da am Ende übrig bleiben wird, ein „Leben in gesicherter Armut“ bedeutet oder finanziell schlicht unmöglich ist. Vor allem wenn auf dem Lebensweg beispielsweise aufgrund einer Scheidung Rentenansprüche abgetreten wurden, kann es eng werden. Der erste Gedanke: Warum nicht in gewissem Umfang einfach weiterarbeiten? Ob sich das lohnt, und wie Corona plötzlich eine bislang verschlossene Tür aufgestoßen hat, ist ein Thema, mit dem sich Herbert Schulte, Steuerberater bei Dierkes Partner auseinandergesetzt hat.
Er sagt: „Die Aussicht auf eine geringe Rente setzt eine Menge Gedanken in Gang. Selbst beim Erreichen der Höchstrente kann es manchmal eng werden, wenn vielleicht noch finanzielle Verpflichtungen erfüllt werden müssen – Unterhaltszahlungen, Kredite oder ähnliches. Mittlerweile haben wir die Situation, dass die starken Generationen, die Babyboomer, so langsam das Renteneintrittsalter erreichen. Das gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass viele Betroffene schon früher aufhören möchten – wenn die 60 überschritten ist. Sie fehlen dem Arbeitsmarkt und bescheren dem ohnehin schon vorhandenen Fachkräftemangel einen weiteren Schub.“
Jetzt steuert der Staat dagegen und macht ein attraktives Angebot, um die erfahrenen Senioren noch etwas im Markt zu halten. Doch zunächst die Frage, ob sich das Weiterarbeiten überhaupt lohnt.
Der Staat hat da mal eine Idee
Grundsätzlich gilt: Wer bis zum Erreichen des vollen Renteneintrittsalters arbeitet und dann regulär Rente bezieht, der darf so viel hinzuverdienen, wie er will, ohne dass sich das auf die Rente auswirkt. Das Gesamteinkommen wird allerdings versteuert, und es fallen Beiträge für die Kranken- und die Pflegeversicherung an. Anders liegt der Fall für diejenigen, die früher in Rente gehen. Bislang galt: Wer hinzuverdiente, musste sich das bis zum Erreichen des regulären Rentenalters ab einem Jahresfreibetrag von 6300 Euro auf die Rente anrechnen lassen. Sprich: Sie wurde gekürzt. Damit wurde der Job häufig unattraktiv.
Schulte: „Weil die Fachkräfte, insbesondere die erfahrenen Ü-60er, nun aber vielfach noch leistungsfähig sind und gebraucht werden, hat der Staat reagiert. Bereits für 2020 wurde der Freibetrag von 6300 auf
44 590 Euro hochgesetzt, für 2021 ist er sogar auf 46 060 erhöht worden.“ Konkret bedeutet das: Ein topfitter Babyboomer kann seine Rente kassieren und mehr als 3800 Euro im Monat hinzuverdienen, ohne dass es zu einer Anrechnung kommt. Ob das eine nachhaltige Anpassung ist, bleibt allerdings noch abzuwarten.
Herbert Schulte sieht in der neuen staatlichen Großzügigkeit durchaus einen Anreiz für die Babyboomer, weiterzuarbeiten und noch etwas fürs Bruttosozialprodukt zu leisten: „Das hat ja auch einen psychologischen Effekt: Plötzlich gehört man nicht mehr zum alten Eisen, sondern wird wieder gebraucht und wertgeschätzt. Und man kann Vorbild sein für die junge Generation.“
Das sagen die Zahlen
Ein paar Zahlen zum Vergleich: Bei einer Rente von 2500 Euro bleiben nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge und der Minimalbesteuerung im Jahr 22 200 Euro netto. Einem Arbeitnehmer, der 2500 Euro brutto im Monat verdient, bleiben bei
40 Stunden Wochenarbeitszeit 21 700 Euro netto. Die Kombi aus Vollrente (2500 Euro) und einem Job mit 2500 Euro würde nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (ohne Renten- und Arbeitslosenversicherung) ein Jahres-Netto von gut
41 000 Euro erbringen. Die Kombi aus einer Teilrente (2000 Euro) und einem Job über 2500 Euro erbrächte dank der neuen Freibeträge immer noch gut 37 000 Euro. Diese Zahlen sind grob gerechnet, geben aber wider, wie es um die Finanzen eines Single-Haushaltes steht.
Wenn der Ehepartner gut verdient . . .
Die Lage ändert sich deutlich, wenn der rüstige Rentner mit einer gut verdienenden Frau verheiratet ist oder nennenswerte Einnahmen aus Kapitalerträgen oder Vermietungen/Verpachtungen hat, denn dann steigt die Steuerprogression. Schulte: „Wenn die Ehefrau sehr gut verdient, steigt logischerweise auch der Steuersatz – und zwar für beide. Man könnte auch sagen: Je mehr die Frau verdient, desto weniger bleibt ihrem Mann von der Rente. Für angespannte Ehesituationen mit getrennten Kassen empfiehlt sich eine Aufteilung der Steuerlast über eine getrennte Veranlagung. Oder eine separate Berechnung der jeweils auf die Eheleute entfallenen Steuerzahlungen. So ließe sich ein Ausgleich schaffen – wenn das dem Ehefrieden hilft.“ wb
>> Kontakt: hschulte@dierkes-partner.de