Exklusiv in B&P: Harburger Akteure stellen die Ergebnisse der Mobilitätsstudie vor.
Von Wolfgang Becker
Immer häufiger klagen Unternehmen im Hamburger Süden darüber, dass potenziell neue Mitarbeiter absagen, weil der Arbeitsweg zu weit oder zu umständlich ist. Entsprechende Rückmeldungen gibt es nicht nur von namhaften Arbeitgebern im Landkreis Harburg, sondern auch aus dem Hamburger Stadtteil Harburg. Erreichbarkeit ist mittlerweile ein Hauptkriterium bei der Berufswahl. Hinzu kommt, dass gerade die junge Generation zwar geübt ist in der Smartphone-Mobilität, nicht aber im Autofahren – „viele junge Leute haben nicht mal einen Führerschein“, sagt Christoph Birkel, geschäftsführender Gesellschafter des hit-Technoparks. Selbst seine Adresse in Bostelbek wird vielfach als „zu weit draußen und schlecht angebunden“ wahrgenommen, was in Einzelfällen dazu führt, dass Mieter in die Hamburger Innenstadt ziehen oder sich in Bahnhofsnähe niederlassen. Birkel hat aus der Not eine Tugend gemacht und mit dem Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden, der Süderelbe AG, channel hamburg e.V., Citymanagement Harburg e.V. und Hamburg Invest eine Mobilitätsstudie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse jetzt vorliegen.
Birkel: „Ziel war es, ein Meinungsbild der Mitarbeiter in den Unternehmen zu bekommen. Das ist uns gelungen. Das Ergebnis der Online-Befragung bestätigt uns, dass Mobilität ein immer stärkerer Standortfaktor ist.“
Dr. Thomas Rössler, geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Transport Consultancy Dr. Ninnemann & Dr. Rössler GbR, präsentierte die Kernpunkte vorab seinen Auftraggebern und berichtete über die Methode. An der Befragung konnten die Mitarbeiter von rund 500 Unternehmen teilnehmen, die über die oben genannten Institutionen angeschrieben wurden. Außerdem waren die Industrie- und Handelskammern in Stade und Lüneburg involviert.
Etwa 10 000 Mitarbeiter in den Unternehmen wurden angefragt – plus Airbus. Der mit Abstand größte Arbeitgeber in der Region ist mit rund 14 000 Beschäftigten ein statistischer Sonderfall. Zudem kam gerade von Airbus-Mitarbeitern ein besonders starker Rücklauf. Birkel: „Das zeigt, dass die Probleme hier besonders groß sind.“ Aus den insgesamt rund 6100 Rückmeldungen lassen sich einige Folgerungen ableiten, die sich auch politisch auswirken könnten.
Das Beispiel Airbus
Das Beispiel Airbus zeigt vermutlich am deutlichsten die Versäumnisse der Vergangenheit auf. Das Werksgelände in Finkenwerder verfügt über keinen eigenen Bahnanschluss. Die Zufahrtsstraßen waren dem Werksverkehr über Jahrzehnte nicht gewachsen. Bis heute ist der Standort von nördlich der Elbe schlecht zu erreichen. Um solche Entwicklungen frühzeitig auszuschließen, fordern Birkel („Airbus hat extrem hohen Bedarf, besser angeschlossen zu werden.“) und seine Mitstreiter einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik: Weg vom Regieren auf Engpässe – hin zur aktiven Planung der Infrastruktur.
Das hieße: Die Erschließung künftiger gewerblicher Entwicklungsflächen muss vorher stattfinden, da gute Erreichbarkeit zu erfolgreicher Ansiedlung führe. Dr. Rössler: „Hamburg hat zugesagt, etwas für den Süden zu tun. Bedarfsorientiert heißt: die Erschließung dort ausbauen, wo künftig mehr stattfinden soll.“ Dr. Olaf Krüger, Vorstandsvorsitzender der Süderelbe AG, nennt das so: „Angebotsorientierte Verkehrspolitik statt nachfrageorientierter Verkehrspolitik.“
Konkrete Forderungen
Ein weiteres Ergebnis der Studie: In den befragten Unternehmen kommt ein überraschend hoher Anteil von Mitarbeitern mit dem Fahrrad zur Arbeit. Vor diesem Hintergrund sei das Hamburger Velo-Routen-Konzept sicherlich hilfreich, so Birkel, aber auf den langen Distanzen müsse deutlich mehr getan werden: mehr Haltestellen für Busse und S-Bahn (zum Beispiel beim Mercedes-Werk), Transportmöglichkeiten für Fahrräder im Schienenverkehr und engere Taktzeiten der öffentlichen Nahverkehrsmittel.
Franziska Wedemann, Vorsitzende des Wirtschaftsvereins: „Bei diesem Thema geht es um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und die Sicherung der Arbeitskräfte. Da ziehen wir alle hier an einem Strang. Ziel muss es doch sein, den motorisierten Individualverkehr zu minimieren. Das geht durch eine bessere Erschließung durch den öffentlichen Personennahverkehr.“
Und Birkel untermauert: „Wenn die Unternehmen nicht gut erreichbar sind, dann ziehen sie in die Hamburger Innenstadt. Dort ist aber längst alles voll, und die Straßen sind verstopft. Das will Hamburg ja gerade vermeiden – also muss in der Peripherie gehandelt werden. Dazu braucht es allerdings den politischen Willen.“