Der Weg zur Selbstständigkeit ist kürzer, als viele vermuten. 1200 Handwerker im Land Bremen suchen einen Nachfolger für ihr Unternehmen. Jan Müller hat einen Betrieb übernommen. Und ist dafür extra aus Flensburg nach Bremerhaven gezogen.
Die Idee spukte schon länger in seinem Kopf herum: Als Goldschmied selbstständig sein, eine eigene Werkstatt haben. Dass Jan Müller heute Chef ist und in der Bremerhavener Einkaufszone an einem selbst entworfenen Ring arbeitet, hätte er vor eineinhalb Jahren nicht einmal zu träumen gewagt. Tatsächlich ist der 32-Jährige im Wege der Unternehmensnachfolge im Handwerk zu seiner eigenen Werkstatt gekommen.
Nachfolger gesucht
Müller führt die Goldschmiede Hornung Groen weiter, eine Meisterwerkstatt seit 1922 und einer von 980 Handwerksbetrieben in Bremerhaven. Er hat bei einem Volkshochschulkursus dieses Handwerk für sich entdeckt und dort seinen allerersten Ring gefertigt. Ein paar Monate später ließ er sich in Husum zum Goldschmied ausbilden. In Flensburg arbeitete Müller zunächst im Verkauf. Quasi zufällig kreuzten sich die Wege von ihm und seinem Vorgänger in Bremerhaven. Der hatte keinen Nachfolger und startete einen Ausverkauf.
Laut Institut für Mittelstandsforschung in Bonn steht im Zeitraum 2018 bis 2022 in etwa 150.000 deutschen Unternehmen eine Nachfolge an. Für das Bundesland Bremen sollen es 1200 sein. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hatte 2015 eine große Umfrage in Auftrag gegeben. Danach mussten 200.000 Betriebsinhaber in den folgenden fünf bis sechs Jahren ihre Nachfolge regeln.
Nicht bei Null anfangen
Müller und seine Frau Anja sagten sich: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Das Angebot aus Bremerhaven machte ihnen den Start vergleichsweise leicht: „Ich bin ja nicht bei null angefangen. Das Geschäft funktionierte und war gesund“, sagt Müller, der nun seit fast einem Jahr dort der „Chef“ ist. Er war froh, die vier Mitarbeiter, darunter drei weitere Goldschmiede, übernehmen zu können. Müller schrieb mit der Unterstützung seiner Frau, die über Betriebswirtschaftsstudium und Berufserfahrung verfügt, einen Businessplan.
Liquiditätszahlen
Sich selbst durch Liquiditäts- und andere Zahlen zu wühlen, den Standort zu beleuchten, sich über die Konkurrenz klarzuwerden – für ihn war das wichtig. „Ich habe mich vorher nie damit beschäftigt“, sagt der neue Goldschmiede-Inhaber. Auch dass er am Anfang alles alleine machen musste, war für ihn lehrreich. „Jeder Brief, jedes Schmuckstück ist über meinen Schreibtisch gegangen. Ich weiß eins zu eins, was hier stattfindet“, sagt Müller.
Wenn er sagen sollte, was er für eine Betriebsübernahme außerdem für wichtig hält, kommt zweierlei: Den Finanzrahmen nicht zu eng zu stecken, um eine mögliche Durststrecke zu überstehen, und sich durchzubeißen. Müller: „Man muss mit Leidenschaft dabei sein.“
(Text: Ursel Kikker)