Erstmals hat eine Frau die Führung in der wichtigsten Institution der Wirtschaft im Land Bremen übernommen. Janina Marahrens-Hashagen wurde einstimmig auf Vorschlag des Präsidiums zur Präses der Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven gewählt. Doch in die Debatte um die Gleichberechtigung in der Wirtschaft will sie nicht einsteigen: „Das Engagement ist wichtig und nicht, welches Geschlecht der Amtsträger hat“, sagt sie.
Jede Frage rund um das Thema „Frauen in Führungspositionen“ betont schnell bekannte Klischees. Trotzdem: Was bedeutet es für Sie, als erste Frau an der Spitze der Selbstverwaltung der Wirtschaft im Land Bremen zu stehen – auf Vorschlag des Präsidiums, einstimmig und ohne vorherigen Quotenbeschluss?Hat das Signalwirkung für das Thema Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft?
Ich empfinde es als Ehre und bin gerne bereit, mich mit großem Engagement für unseren Wirtschaftsstandort einzusetzen. Das ist aber keine Geschlechterfrage. Für mich ist das völlig normal und ich engagiere mich schon seit vielen Jahren. Seit 2001 gehöre ich dem Plenum der Handelskammer an und bin seit 2009 im Präsidium. Ich kenne daher die Arbeitsstrukturen, habe genug Erfahrung und traue mir dieses Amt zu. Das Engagement ist wichtig und nicht, welches Geschlecht der Amtsträger hat. Aber klar: Das ist auch ein Signal, dass Frauen in Führungspositionen erfolgreich sein können.
Handelskammern hängt schnell ein leicht angestaubtes Image an, immer wieder gibt es Kritik an der Zwangsmitgliedschaft, manchmal kommt der Widerstand – siehe Hamburg – sogar aus den eigenen Reihen. Welche Bedeutung hat die Handelskammer aus Ihrer Sicht im Land Bremen? Warum sollten sich Unternehmer dort engagieren? Und wie sehen Sie die Zukunft der Kammer?
Handelskammern geben der Wirtschaft eine Stimme gegenüber der Politik. Das ist wichtiger denn je. Und sie vertreten alle, die ein Gewerbe betreiben, gleichberechtigt. Besonders wichtig ist, dass Handelskammern die duale Berufsausbildung organisieren und die Unternehmen bei Auslandsengagements unterstützen. Mit Vorschlägen zur Infrastruktur setzen wir uns für die Verbesserung der Zukunftschancen unseres Standorts ein. Nur ein guter Wirtschaftsstandort ist attraktiv für die besten Arbeitskräfte, die wir in den Unternehmen so dringend brauchen. Und dazu gehört eben auch: Weil dieses Engagement allen Unternehmen gleichermaßen zugute kommt, kann das nur funktionieren, wenn alle mitmachen und sich an der Finanzierung beteiligen.
Sie selbst sind bereits seit 18 Jahren in der Kammer aktiv. Was bedeutet für Sie dieses Ehrenamt? Warum ist es so wichtig, dass sich Unternehmerinnen und Unternehmer engagieren? In der eigenen Firma gibt es ja eigentlich schon genug zu tun und genug an Verantwortung.
Bremen und Bremerhaven sind starke, hochinteressante Wirtschaftsstandorte. Hier liegt viel Potenzial, das wir für die Zukunft unseres Bundeslandes nutzen sollten. Dafür will ich mich stark machen. Selbstverständlich bleibe ich meinem Unternehmen erhalten. Ich habe dort eine tolle Unterstützung durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich in die Lage versetzt, mein Ehrenamt auszuüben. Man darf eben nicht nur meckern, man muss auch selbst etwas tun.
Welche Schwerpunkte wollen Sie in den kommenden drei Jahren setzen?
In der sich verschärfenden Fachkräftethematik sind Bildung und Ausbildung zwei wichtige Themen, um die ich mich kümmern werde. Und natürlich bleiben auch die vielen weiteren, für unseren Wirtschaftsstandort bedeutenden Kammer-Themen im Fokus. Großes Gewicht wird für die Handelskammer die Digitalisierung haben. Wir arbeiten selbst intensiv daran, Arbeits- und Kommunikationsprozesse digital weiter zu stärken.
Wie steht es aus Sicht der Wirtschaft um die Bildungsqualität?
Das Land Bremen ist einer der größten Industriestandorte in Deutschland, aber PISA-Nachläufer. Wenn wir Fachkräfte aus dem Süden Deutschlands gewinnen wollen, dann sagen die: Der Wohnraum ist preiswert, Bremen und Bremerhaven sind schön, aber in die Schulen will keiner seine Kinder schicken. Die gehen dann lieber nach Niedersachsen, wo die Schulqualität deutlich besser ist.
Was muss denn anders werden in der Bildung?
Wir brauchen mehr Bildungsqualität und eine bessere Ausstattung der Schulen. Wenn Sie mal in einer der Berufsschulen waren, haben Sie das Gefühl: Wir sind ein Industriestandort, der sich digitalisiert, aber die Schulen haben gerade mal einen vernünftigen Kopierer, und das Internet funktioniert nicht. Die Ausstattung mancher Schulen ist eine Katastrophe. Deswegen soll der Digitalpakt auf Bundesebene dazu beitragen, damit diese Mittel auch in den Schulen ankommen.
Was vermisst die Wirtschaft bei den Schulabgängern?
Sie sind manchmal nicht ausbildungsfähig, weil Grundkompetenzen fehlen. Um eine vernünftige Ausbildung zum Beispiel im Metallbereich zu machen, muss man auch gut rechnen können. Da müsste auf alle Fälle nachgebessert werden. Wirtschaft muss in den Schulen eine größere Rolle spielen. Das ist auch eine Aufgabe für uns Unternehmer. Wir müssen mehr in die Schulen gehen und die jungen Leute für unsere Ausbildungsplätze motivieren. Wir müssen ihnen eine Orientierung geben: Was gibt es für Ausbildungsplätze? Und was müsst ihr mitbringen, wenn ihr eine solche Ausbildung machen wollt?
Welche Themen wollen Sie außerdem in Bremerhaven vorantreiben?
Es gibt viele Themen, ich will einige herausgreifen. Wir wollen zum Beispiel, dass die Innenstadt besser mit den Havenwelten verbunden wird. Wenn Kreuzfahrtschiffe anlegen, dürfen sie nicht nur am Terminal „abgefrühstückt“ werden. Die Stadt muss sich noch stärker zum Wasser hin öffnen. Die Einzelhändler müssen sich besser positionieren können. Daher wollen wir gemeinsam mit der Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS und der Stadt Bremerhaven eine Verkehrsanalyse für die Columbusstraße auf den Weg bringen. Wenn die Bauarbeiten auf der Kennedybrücke abgeschlossen sind, würden wir gerne mit der Verkehrszählung starten. Danach muss man schauen, ob und wie man die Straße umgestalten kann, um die Verbindung zwischen Havenwelten und Innenstadt zu stärken und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Straße zu erhalten. Wir brauchen jetzt eine Basis für Entscheidungen. Außerdem brauchen wir schöne und am Wasser gelegene Wohnquartiere. Die Entwicklungen im Werftquartier zum Beispiel finde ich klasse.
Was halten Sie von dem Vorschlag der CDU, statt eines reinen Offshore-Terminals einen allgemeinen Schwerlasthafen zu bauen?
Für einen Schwerlasthafen müsste das Planfeststellungsverfahren neu aufgerollt werden. Wir befürchten, dass dies zu erheblichen weiteren Verzögerungen führt.
Das Mediterraneo soll in ein Outlet-Center umgewandelt werden. Was halten Sie davon?
Es gibt Outlet-Center, die extrem gut laufen und auch dem Einzelhandel gut getan haben. Es gibt aber auch Beispiele, bei denen dem Einzelhandel sehr viel weggenommen wurde. Die Umgestaltung muss auf jeden Fall in enger Abstimmung mit den City Skippern und dem Columbus-Center stattfinden, um für alle Seiten einen Mehrwert zu erzielen.
Engagierte Unternehmerin
Janina Marahrens-Hashagen steht als Präses für die nächsten drei Jahre an der ehrenamtlichen Spitze der Handelskammer. Die in Bremen geborene Unternehmerin ist seit 1998 geschäftsführende Gesellschafterin der Firmengruppe H. Marahrens. Bereits 1982 ist sie in das väterliche Unternehmen eingetreten, nachdem sie das Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg mit dem Titel „Diplom-Kauffrau“ abgeschlossen hat. Janina Marahrens-Hashagen ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.
Dem Plenum der Handelskammer gehört die Unternehmerin seit dem Jahr 2001 an. 2009 wurde sie in das Präsidium gewählt und war von 2010 bis 2015 als Rechnungsführerin verantwortlich für den Kammerhaushalt. Mit der Fusion der früheren Handelskammer Bremen und der ehemaligen Industrie- und Handelskammer (IHK) Bremerhaven zur Handelskammer Bremen – IHK für Bremen und Bremerhaven wurde Janina Marahrens-Hashagen im Januar 2016 Rechnungsprüferin der neuen Kammer. Überdies ist sie in Ausschüssen der Handelskammer aktiv: Von 2001 bis 2006 im Mittelstandsausschuss und seit 2007 als Vorsitzende des Ausschusses für Industrie, Umwelt- und Energiefragen.
Im Jahr 2002 wurde Janina Marahrens-Hashagen von ASU/BJU zur Unternehmerin des Jahres gewählt. Sie übt weitere wichtige Ehrenämter aus. Unter anderem ist sie Vorsitzende des Unternehmerforums Bremen- Nord, Mitglied der Metropolversammlung der Metropolregion Nordwest (2012 bis 2015 und wieder seit November 2018) sowie Mitglied im Aufsichtsrat der Sparkasse Bremen.
Die Firmengruppe H. Marahrens mit rund 210 Mitarbeitern ist spezialisiert auf Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Montage von Schildern, Beschilderungen und Beschilderungssystemen an Land und im maritimen Bereich. Sie hat Standorte in Bremen, den USA sowie in Finnland. Die Gruppe gliedert sich in vier Betriebsgesellschaften: Im Bereich Global Sign Solutions werden vom Druck bis zur Metallbearbeitung Beschilderungen hergestellt; der Bereich Maritime Sign Solutions beschäftigt sich vorwiegend projektbezogen mit Beschilderungen im maritimen Bereich, so auch die Marahrens USA Inc. Signs & Graphics; der Bereich Safety Sign Solutions produziert Verbots-, Gebots- und Sicherheitsschilder. Mit durchschnittlich 10 Auszubildenden ist die Firmengruppe auch ein wichtiger Ausbildungsbetrieb in Bremen-Nord.