Unser Gesprächspartner heute: Dr. jur. Walter Schmel, Rechtsanwalt und Notar in Bremerhaven. Als Fachanwalt für Erbrecht ist er der Spezialist auch für Fragen rund um die richtige Nachfolgeregelung in Familienunternehmen. Natürlich ist das auch eines der zentralen Themen beim Treffen auf einen Kaffee.
Reicht die Zeit für einen Kaffee heutzutage überhaupt noch aus für einen Exkurs in juristische Themen? Das Recht wird auch durch die Regelungen der EU immer komplizierter…
In der Tat haben wir inzwischen starke Einflüsse der EU selbst auf Rechtsnormen, die mit Europa nichts zu tun haben. Das Erbrecht beispielsweise wird seit 2012 anders geregelt als früher. Wenn früher jemand verstarb, war seine Staatsangehörigkeit dafür entscheidend, welches Erbrecht galt. Das war einleuchtend: Auch wenn ein Deutscher im Ausland verstirbt, sollte für ihn das deutsche Erbrecht gelten. Doch die EU hat das geändert: Seit 2014 richtet sich das Erbrecht nach dem Land, in dem man lebt. Das bringt zum einen die Frage, wie lange man sich in einem Land aufhalten muss, um zu sagen: Der lebt in Spanien. Für Deutsche, die auf Mallorca leben, kann das zur Konsequenz haben, dass spanisches Erbrecht gilt. Eines der Probleme: Jede spanische Provinz hat ein anderes Erbrecht.
Wie behält man da den Überblick?
Eigentlich gar nicht. Deswegen empfehlen wir in unseren Erbfolge-Beratungen, eine Rechtswahl zu treffen. Sie können festlegen, dass Sie ausdrücklich deutsches Erbrecht wählen. Aber auch das ist nicht ganz ohne juristische Herausforderungen: Unter Umständen wäre es günstiger gewesen, ein ausländisches Erbrecht zu wählen. Das ist aber sehr aufwendig zu klären, zumal nicht immer abzusehen ist, in welchem Land jemand später wohnen wird. Das ist ein Beispiel dafür, wie massiv das EU-Recht in den Alltag von Unternehmern hinein wirkt.
Das kann extreme Auswirkung haben…
Ja, in der Tat. Dazu kommt noch, dass die Behörden und Gerichte in den einzelnen europäischen Staaten höchst unterschiedlich arbeiten. In vielen europäischen Ländern sind zudem schon allein die Anwaltskosten erheblich höher als bei uns. Eigentlich braucht jeder Unternehmer einen Juristen, der ihn ständig begleitet. Auch ein Jurist benötigt sehr viele Spezialkenntnisse, die der einzelne Unternehmer gar nicht haben kann. Das ist einer der Gründe für mich, eine größere Kanzlei zu führen, die dieses breite Spektrum an Recht fachlich abbilden kann. Einerseits hat jeder Anwalt hier den direkten persönlichen Kontakt zu seinen Mandanten, der sehr wichtig ist. Andererseits kann er jederzeit den spezialisierten Fachanwalt für das jeweilige Thema hinzuziehen. Wenn ich beispielsweise mit jemandem über das Thema der Unternehmensnachfolge spreche, kommt vielleicht der Fachkollege hinzu, der sich auf die das Arbeitsrecht betreffenden Aspekte spezialisiert hat. Zu einem Anwalt, der glaubt, alle rechtlichen Probleme zu beherrschen, würde ich persönlich nicht gehen.
Wie hält man sich auf der Höhe der Zeit? Die Sammlung von Bundesgesetzblättern hier im Büro lässt ahnen, wie umfangreich das Recht ist.
Das geht nur durch ständige Fortbildungen auf jedem Fachgebiet, auf das man sich spezialisiert hat. Bei mir zum Beispiel sind das vier Rechtsgebiete: das Erbrecht, das Notariat, das Verwaltungsrecht und die Mediation. Pro Rechtsgebiet hat man die Pflicht zu mindestens 15 Fortbildungsstunden pro Jahr. Das reicht allerdings nicht, um alles zu erfassen. Eigentlich sind Sie in einem permanenten Fortbildungsmodus. Natürlich muss man nicht alles akribisch auswendig lernen und verinnerlichen. Man muss erkennen, wo die Probleme sind. Und man muss wissen, wer die Lösungen bietet. So würde ich nie eine Beratung zu einem Unternehmertestament geben, ohne den Steuerberater mit einzubinden. Der steckt viel tiefer in dem Unternehmen, als ich selbst es jemals leisten könnte. Umgekehrt gilt das natürlich auch. In Erbrechtsfragen kann ein Steuerberater nicht so tiefgreifendes Wissen haben wie ein spezialisierter Fachanwalt.
Ein Unternehmer, der solchen Themen allein gegenüber steht, scheint schnell verloren zu sein…
Für die meisten Themen haben mittelständische Unternehmer normalerweise vernünftige Berater. Aber leider haben sie nur selten ihre Unternehmensnachfolge geregelt. Das ist natürlich ein Bereich, in den neben dem Juristischen viel Menschliches einfließt. Der Patriarch hat das Unternehmen aufgebaut, nun muss er bereit sein, es an die nächste Generation abzugeben. Leider meint der Senior häufig, es besser zu wissen als der Junior. Da ist die Aufgabe des Beraters, psychologisch vorzugehen. Ich höre das regelmäßig: „Wir wollten ja schon längst zu Ihnen kommen.“ Manchmal ist es plötzlich zu spät. Häufig ist es so, dass jemand schwer erkrankt. Dann mag man dem nicht sagen: Nun mach mal dein Testament. Das sind Situationen, die zu schweren Problemen in dem Unternehmen oder auch in der Familie führen können. Im Grunde sind es zwei Dinge, die ein Unternehmer beachten muss: er muss zum einen die Person bestimmen, die sein Werk fortführen soll. Und er muss diese Person schon zu Lebzeiten entsprechend ausstatten, dass er das auch wirklich kann.
Ist das ein goldener Mittelweg, loszulassen und doch noch festzuhalten?
Nein, das ist und kann nur eine Zwischenlösung sein. Es muss schon frühzeitig geregelt sein, wer der Erbe und Nachfolger wird. Jede Bank erwartet bei Ihrem Rating, dass Sie die erbrechtlichen Regelungen getroffen haben. Das kann ein Unternehmen in den Ruin stürzen, wenn man das nicht geregelt hat und glaubt, mir passiert das nicht. Da ist es wichtig, dass man auch als Berater ein gewisses Alter erreicht hat und erkennbar die Erfahrung mitbringt.
Wird es Ihnen schwerfallen, Ihre Kanzlei irgendwann einmal abzugeben?
Ich habe junge Kollegen im Haus, die das übernehmen werden. Aber auch mir fällt das natürlich nicht leicht. Deswegen habe ich durchaus Verständnis dafür, wenn jemand als Unternehmer zögert. Für mich ist das schon seit mehr als 20 Jahren ein wesentliches Thema. Wir sind praktisch die einzigen Fachanwälte für dieses Thema im nördlichen Weser-Elbe-Dreieck.