Es sieht aus wie eine elegante Segelyacht, ist aber ein ausgeklügelter
Spezialist. Im Fischereihafen wird das „grünste Forschungsschiff der Welt“ ausgerüstet, wie Prof. Dr. Gerald H. Haug den Neubau bezeichnet.
Haug ist Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, Abteilung Klimageochemie. Das Institut betreibt den 3,5 Millionen teuren, von einer Stiftung finanzierten Neubau für die Meeres- und Klimaforschung. An Bord findet gerade ein Arbeitstreffen statt. Es geht um die Ausrüstung. Dafür ist die „Eugen Seibold“ von Greifswald nach Bremerhaven gekommen. In der Seestadt ist die Reederei Laeisz vertreten, die schon andere Forschungsschiffe wie die „Polarstern“ bereedert und auch das hochseetaugliche Segelschiff übernimmt. Der Kontakt zum AWI, in dessen Beirat Haug sitzt, ist bestens. Und: „In Bremerhaven gibt es ganz fantastische Fachfirmen, die wir jetzt brauchen“, sagt Haug. Denn in den nächsten Wochen ginge es vor allem darum, die Elektrik mit der Analytik zusammenzubringen.
Keine Kontamination
Haug kommt schnell zu den Vorzügen dieses speziellen Segelschiffs. „Es ermöglicht uns die kontaminationsfreie Beprobung von Atmosphäre und Ozean“, erklärt er. Ein Stahlschiff würde das zu beprobende Wasser zum Beispiel durch Rost verunreinigen. Der 22 Meter lange und 6 Meter breite Rumpf der „Eugen Seibold“ ist aus Glasfaserkunststoff und speziell beschichtet. Zu den Segeln kommt ein Hybridantrieb. Zwei Elektromotoren plus Akkus sollen für einen bis zu neunstündigen emissionsfreien Betrieb sorgen. Die Luft, die oben vom Mast ins Labor an Bord gesogen wird, ist damit frei von Dieselpartikeln, die die feinen Analysen der Wissenschaftler stören würden.
Forschungsyacht für 1000 Euro pro Tag
„Mit diesem Schiff können wir flexibler sein“, sagt der Ideengeber. Haug erinnert an das El-Niño-Ereignis im Pazifik im vergangenen Jahr. „Wir konnten nicht reagieren.“ Denn die großen Forschungsschiffe seien über Jahre fest gebucht. Zudem fahre die Forschungsyacht mit 1000 Euro am Tag deutlich günstiger. Große Forschungsschiffe kosteten mehrere zehntausend Euro pro Tag. Bereits der Blick aufs Achterdeck lässt ahnen, dass hier ein Boot für Betuchte abgewandelt wurde. Es ist zum Arbeitsdeck umgemünzt. Ein schwenkbarer A-Rahmen und eine leistungsfähige Winde ermöglichen Plankton- und Wasserproben aus bis zu 2500 Metern Wassertiefe.
Wichtiger Bereich für die Klimaforschung
Ein Augenmerk liegt auf der euphotischen, also der lichtdurchfluteten Zone bis 500 Meter. Dort leben unter anderem Algen, die für die Photosynthese Kohlendioxid aufnehmen. „Das ist ein sehr wichtiger Bereich für die Klimaforschung“, unterstreicht Haug. Der zweite Zugang zum Achterdeck führt direkt in den Arbeitsbereich unter Deck. Im Schiffskörper befinden sich neben den acht Kojen die Labore, die auf den Einbau von Hightech-Geräten wie Massenspektrometer warten. Die meisten Proben werden eingefroren und später in den Instituten an Land untersucht. Über einen kleinen Wassereinlass unten am Kiel können die Wissenschaftler kontinuierlich Proben nehmen und Daten erheben – eine dieser Besonderheiten auf der Forschungsyacht. „Wir haben um jeden Quadratzentimeter gerungen, um möglichst viel Platz für die Labore zu bekommen“, sagt Haug.
Das Kommando hat Kapitän Kaarel Kruusmägi. Der 29-jährige Estländer segelt seit seinem achten Lebensjahr und hat Rennerfahrung. Das Steuerrad steht oben im Deckshaus, das zugleich Platz für Besprechungen bietet. Alles ist zweckmäßig, schlicht, aber stilvoll eingerichtet.
Forschungsfahrt zum Testen
Wenn alles nach Plan läuft, wird sich die „Eugen Seibold“ im Oktober auf den Weg zu den Kanaren machen. Von Lanzarote aus soll die erste Forschungsfahrt zum Test aller Systeme Richtung Kapverden stattfinden. Haug, selbst Hobbysegler, will dann einen Abschnitt mitfahren. Bei der Überfahrt von Greifswald nach Bremerhaven war er schon dabei: „Es war fantastisch. Das Schiff liegt sehr gut im Wasser.“ Er schaut zum AWI-Gebäude hoch. Gut möglich, dass eines Tages auch AWI-Wissenschaftler das Segelboot nutzen werden.