„Ich geh Arbeit“

Foto: Wolfgang BeckerWolfgang Bruhn (links), Leiter der BS 18 in Harburg, und Detlev Konow, Abteilungsleiter der kaufmännischen Berufsschule, stellen sich den Herausforderungen der Digitalisierung an die Berufsausbildung. Foto: Wolfgang Becker

Wolfgang Bruhn und Detlev Konow über die Berufsschule 4.0 und ein Problem, das wirklich überrascht: Sprache.

Alle reden von Digitalisierung, doch wer soll das eigentlich machen? Und was muss er dazu wissen? Diese Fragen stellen sich nicht nur Unternehmer und Personalleiter, die einstellen wollen, sondern auch die Beruflichen Schulen (BS) in Hamburg. Ihre Aufgabe ist es, den digital kompetenten kaufmännischen Nachwuchs von morgen heranzubilden. Den Verantwortlichen geht es jedoch genauso wie manchem Unternehmer: Gerade hat man sich auf etwas Neues eingeschossen, da fegt der digitale Tsunami schon wieder alles weg. Im Klartext: Die Entwicklung ist so schnell geworden, dass strukturiertes und geplantes Handeln immer schwieriger wird. Über den diffusen Digitalisierungsdruck sprach B&P mit Wolfgang Bruhn, Leiter der BS 18 in Harburg, und Detlev Konow, Abteilungsleiter der kaufmännischen Berufsschule. Beide befassen sich intensiv mit dem Thema Berufsschule 4.0, räumen aber ein: „Wir stehen noch ganz am Anfang.“ Trotzdem haben sie bereits ein eklatantes Missverhältnis zwischen sprachlicher Kompetenz und Medienverhalten bei den Berufsschülern aufgedeckt, das zu denken gibt.

Kaufmann für Büromanagement

Erst kürzlich hatte sich Bruhn einen Vortrag von Professor Dr. Karl Wilbers angehört. Wilbers hat einen Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und war als Referent zum Fachtag Berufsbildung 4.0 nach Hamburg eingeladen worden. Bruhn: „Die Botschaft war sehr deutlich: Durch die Digitalisierung ergeben sich große Wertschöpfungspotenziale, die dazu führen, dass schon heute etwa 43 Prozent der Arbeitsanteile im Büromanagement automatisiert werden können. Diese Arbeit entfällt. Was für uns bedeutet: Bei der Vorbereitung der Schüler auf das Berufsleben müssen wir uns auf die Dinge konzentrieren, die nicht automatisiert werden können.“

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Der Kaufmann für Büromanagement ist als Berufsbild erst wenige Jahre alt. Entstanden ist er aus dem Zusammenschluss der Ausbildungsberufe Bürokaufmann, Kaufmann für Bürokommunikation und Verwaltungsfachangestellter. An der BS 18 in Harburg werden derzeit 470 angehende Büromanager beschult, ebenso wie in Bergedorf (BS 07) und in der City Nord (BS 28). Insgesamt kommen so etwa 2000 Azubis in Hamburg zusammen. Bundesweit sind es etwa 26 000. Der Abschluss Kaufmann für Büromanagement stellt gehobene Anforderungen an die Auszubildenden.

Bruhn weiter: „Wir müssen uns in der Ausbildung stärker auf folgende Themen konzentrieren: Flexibilisierung der Arbeitsformen, Sozialkompetenz, dezentrales Arbeiten, Telekommunikation (Videokonferenzen), Datenpflege, Datenanalyse und Mitarbeit an Geschäftsprozessen.“ Ein Themenreigen, der auch einem BWL-Absolventen gefallen könnte. Dazu Konow: „Wir haben es mit einer ganz heterogenen Schülerklientel zu tun. Da sind Leute mit dem ersten Bildungsabschluss ebenso zu finden wie Abiturienten. Manche arbeiten in kleinen Firmen und sind als Arbeitskraft voll eingeplant, andere in großen Unternehmen mit richtiger Ausbildungsabteilung. Da treffen Welten aufeinander.“ Hintergrund: Wer früher einen Abschluss als Kaufmann für Bürokommunikation machte, der wusste: Das bedeutet Sekretariat, aber nicht Buchhaltung. Entsprechend niedriger waren die Anforderungen an die Prüfung. Das hat sich verändert.

Das Schweizer Modell

Bruhn: „Mit der Zusammenlegung von drei Berufsbildungsgängen zu einem sind wir schon mal einen großen Schritt weiter. Interessant ist, dass sich das Bundesinstitut für Berufsbildung mit dem Schweizer Modell befasst. Dort gibt es eine dreijährige kaufmännische Grundbildung, erst danach wird spezialisiert – beispielsweise in Schifffahrt, Groß- und Außenhandel, Industrie oder Immobilien. In diesen drei Jahren könnte die Basis für digitale Kompetenz gelegt werden.“

Detlev Konow stellt die Frage, die derzeit noch gar nicht klar beantwortet werden kann: „Welche der klassischen kaufmännischen Tätigkeiten werden künftig durch Digitalisierung ersetzt? Das wissen wir nicht. Was wir aber wissen: Der direkte Kontakt zwischen Kaufmann und Kunde wird es wohl kaum sein, denn der ist durch nichts zu ersetzen. In der Konsequenz müssen wir ein starkes Gewicht auf Sozialkompetenz legen – beispielsweise wie man miteinander spricht. Es ist ja toll, wenn alle vernetzt sind, aber wenn man die Welt nicht mehr versteht, nützt das auch nicht viel.“

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