Das Arbeiten in gemeinschaftlichen Räumen ist ein Trend aus den USA, die deutschen Betreiber tun sich allerdings noch schwer.
Thomas Friedrichs ist sich nicht ganz sicher, ob der Stader Markt das hergibt: Der Wirtschaftsförderer aus Stade will herausfinden, ob es einen Markt für einen Co-Working-Space, mindestens aber einen Work-Space in Stade gibt. Hintergrund: Der Unternehmer Sven Kohrs sucht eine sinnvolle Nutzung für ein ehemaliges Kasernengebäude im Stadtteil Ottenbeck. In unmittelbarer Nähe des CFK-Valley, so seine Idee, müsste es doch möglich sein, das Konzept vom gemeinschaftlichen, zeitlich flexiblen Arbeiten in Stade zu etablieren. Friedrichs findet das Konzept grundsätzlich gut, möchte nun aber wissen, ob es beispielsweise unter den täglich 20 000 Auspendlern potenzielle Kunden gibt, die so einen Raum nutzen und sich zugleich die lange Tour nach Hamburg ersparen. Kurz: Funktioniert Co-Working respektive Work-Space auch in Stade?
ISI Buchholz
Wer Betreiber solcher Einrichtungen befragt, bekommt eher verhaltene Antworten. Wilfried Seyer, Chef der Wirtschaftsförderung im Landkreis Harburg, hat im neuen Zentrum für Gründung, Business & Innovation ISI einen Co-Working-Space mit 25 Plätzen eingerichtet – mit offener Möblierung, Glasfasertechnologie über WLAN, modernem Ambiente, Kaffeeautomat und Snack-Kühlschrank. Seine Erfahrung: „Die beiden separierten Arbeitsplätze mit Schreibtischen vermieten sich durchaus, aber auch nicht ständig. Der offene Raum wird im ursprünglich gedachten Sinne quasi nicht genutzt. Allerdings: Mehrere Co-Worker, die sich hier teilweise sogar längerfristig eingemietet hatten, sind mittlerweile Mieter im ISI beziehungsweise auf der Warteliste.“
Seyer hat reagiert: Der Co-Working-Space wird im neuen Jahr zum Work-Space mit acht bis zehn separaten Schreibtischarbeitsplätzen umgestaltet. Er sagt: „Im ländlichen Raum sind eher Ruhezonen gefragt, in denen gearbeitet werden kann.“ Dennoch ist er der Meinung, dass alles, was in Hamburg-City gut funktioniert, irgendwann auch Buchholz erreichen wird: „So ein Arbeitsmodell braucht Anlauf – irgendwann wird es einfach vorausgesetzt.“
Der Anlauf in Lüneburg dauert bereits vier Jahre. Dort betreibt Axel Bornbusch den Work-Space Freiraum Lüneburg: „Wir hatten zunächst einen 320 Quadratmeter großen Gemeinschaftsraum, also ein Ein-Raum-Konzept. Wir mussten allerdings sehr schnell einsehen, dass das nicht funktioniert. Heute haben wir drei Seminarräume mitten in Lüneburg und einen Gemeinschaftsraum. Unsere Einnahmen erzielen wir über die Seminarräume, der Co-Working-Bereich ist wirtschaftlich irrelevant.“
Freiraum Lüneburg
Bornbusch weiter: „Wir hatten keine Gewinnerwartung und haben das Konzept vor allem deshalb umgesetzt, weil wir selbst Zugriff auf die Räume haben wollten. Wer nicht für eine Grundauslastung sorgt, hat es schon mal schwer.“ Und: „Wir machen das mit einer Mischung aus Pragmatismus und Idealismus. Als Geschäftsmodell ist das Co-Working-Konzept Unsinn.“ Sein Tipp: Entweder der Betreiber nutzt die Räume zum großen Teil selbst oder aber die Kommune fördert die Einrichtung, damit die „digitalen Nomaden nicht vereinsamen“. Doch gibt es die überhaupt in Stade, Buchholz und Lüneburg? Oder gar in Bremervörde? Dort hat das Unternehmen Junge Consulting in „Junges Haus“ überschüssigen Büroraum zum Co-Working-Bereich umgebaut. Auch hier die Erfahrung: Geringe Nachfrage und wenn, dann eher längerfristige Vermietungen an Einzelne.
Zum Vergleich: In Buchholz kostet ein Tag im ISI-Work-Space sechs Euro inklusive WLAN. In Lüneburg zahlen die Nutzer zwölf Euro. Wer für einen Monat mietet, zahlt 180 Euro. Bornbusch: „Das ist also etwas für Leute, die schon Geld verdienen – nichts für Start-ups. Dennoch: Das Thema wird kommen, aber zurzeit wird es größer geredet als es wirklich ist.“ Unter desk.works wird mittlerweile eine App im Netz angeboten, auf der weltweit Co-Working-Arbeitsplätze gebucht werden können – für 13 Dollar pro Tag. Anbieter können sich dort registrieren lassen. Dieses Vermittlungsportal ist laut Bornbusch brandneu und könnte zukunftsweisend sein.
Stade plant Befragung
Sven Kohrs hat bis zu 1000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung, von denen etwa ein Viertel als Co-Working-Space angeboten werden könnten – günstig gelegen gegenüber vom Gründerzentrum GIS in Ottenbeck. Thomas Friedrichs verweist auf das Wirtschaftsförderungskonzept der Hansestadt Stade: „Da steht der Co-Working-Space als einer von 40 Punkten. Wir wollen sehen, ob es dafür eine Nachfrage gibt. Wir erheben alle möglichen Daten, aber wir wissen nichts über die Beziehungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Deshalb bereiten wir jetzt eine Befragung vor.“ wb