Eine globale Betrachtung landwirtschaftlicher Themen, angesichts steigender Weltbevölkerung, bietet sich aus Sicht von Behr auch für den biologischen Anbau an. „Der Bio-Anbau erwirtschaftet im Gegensatz zum konventionellen Anbau nur 50 Prozent des Ertrages in Kilogramm – und braucht rechnerisch 1,3 mal so viel Fläche, weil zwischendurch stickstoffanreichernde Pflanzen wachsen müssen, um den Nährstoffgehalt zu sichern. Tatsächlich hat der Bio-Anbau – aber auch der konventionelle Anbau – eine Riesenimportwelle von organischer Masse ausgelöst, doch das fließt in die Öko-Bilanzen nie ein. Wir leben in einer modernen Industriegesellschaft, führen im Anbaukreislauf aber beim Gemüseanbau dem Boden keine Nährstoffe zurück, weil Klärschlamm für den Gemüsebau ungeeignet ist.“ Wissenschaftlich gebe es keinen Nachweis für Qualitätsunterschiede zwischen Bio-Gemüse und konventionellem Gemüse. Behr: „Bio-Gemüse bedient vor allem ein Gefühl, für Mensch und Umwelt etwas Positives getan zu haben.“ Das ist emotional, aber legitim. Und er bedient es auch selbst, weil es der Konsument verlangt – mit Gemüse aus biologischem Anbau auf 180 Hektar Fläche.
Ein weiteres Thema sei der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel mit lebenden Organismen. Behr: „Das sind hochkomplexe Eingriffe in die Natur, die dazu führen, dass sich ein Eigenleben entwickelt, das nicht mehr steuerbar ist.“ Dasselbe gelte allerdings auch für die Gentechnik, mit der versucht werde, Feldpflanzen resistent gegen Herbizide, Insekten, Pilze und Bakterien zu machen. Behr: „Da treten dann in den USA plötzlich massiv Unkrautarten auf, die früher nur spärlich vorkamen – sich nun aber stark ausbreiten, weil gerade sie zufällig auch resistent sind. Ähnliche Erfahrungen gibt es auch bei der konventionellen Resistenzzüchtung und einer großflächigen biologischen Schädlingsbekämpfung. Wir haben das nicht im Griff.“
Wir müssen unsere Fressfeinde überraschen
Was bleibt, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren? Darauf hat Behr eine klare Antwort: „Nur der Überraschungsangriff – mit Chemie oder anderen, aus der Natur gewonnenen Wirkstoffen. Das ist ein toter Stoff, den wir einigermaßen kennen und der sich selbst nicht vermehrt. Allerdings stellen sich Schädlinge auch darauf ein. Wir müssen unsere Fressfeinde ständig mit etwas Neuem überraschen – die Mittel dazu gibt es oder können bei größerer Akzeptanz breiter erforscht werden.“ Und wie geht der Ohlendorfer selbst mit dem Thema um? Behr: „Ich produziere das, was der Markt und Konsument verlangt. Und das hat gesund zu sein. Es muss so gut schmecken, dass es wieder gekauft wird. Und es darf niemanden schädigen, weder den Menschen, noch übergebührlich die Umwelt.“ Dass heute Möhren nicht mehr nach Geschmack, sondern nach Bruchfestigkeit gezüchtet werden, um in der Erntemaschine nicht kaputt zu gehen, findet Behr allerdings auch sonderbar. Geschmack steht für ihn obenan: „Das Essen muss schmecken. Andere Fakten haben auf dem Teller nichts zu
suchen.“ wb
Die Behr AG
Allein im Gemüseanbau bewirtschaftet die Behr AG 4000 Hektar Fläche – in Gresse/Mecklenburg-Vorpommern, in Seevetal-Ohlendorf, neuerdings auch bei Büttelborn in Südhessen und in der spanischen Region Murcia. Seit fünf Jahren betreibt Behr auch den klassischen Ackerbau – Kartoffeln für die Verarbeitung in der Lebensmittelindustrie, Getreide und Mais für die Biogas-Erzeugung. Die Fläche: rund 2000 Hektar, überwiegend in Mecklenburg-Vorpommern. Dort findet der Getreideanbau als Fruchtwechselfolge mit dem Gemüse statt. Andernorts tauscht die Behr AG Flächen mit örtlichen Landwirten aus, um die Fruchtfolge einzuhalten und die Böden nicht einseitig zu belasten.
Die Gemüseproduktion ist schwerpunktmäßig für den deutschen Lebensmitteleinzelhandel bestimmt, wird aber auch nach Österreich, Holland, Skandinavien, Polen und Spanien exportiert. In Polen ist die Behr AG mit einer eigenen Handelsfirma vertreten. Angebaut wird die gesamte Palette von Gemüse – von A wie Annabelle (Kartoffel) bis Z wie Zucchini.
Das Unternehmen beschäftigt 300 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland, 200 weitere in Spanien. In der Saison kommen 1200 Mitarbeiter in Deutschland und 250 in Spanien hinzu. wb
Web: www.behr-ag.com