Besuch im EnergieBauZentrum der Handwerkskammer Hamburg im Harburger Elbcampus – Achtung EnEV: Erst beraten lassen, dann sanieren
Vier Punkte, die jedem deutlich machen: Gesetzgebung und Praxis sind häufig zwei verschiedene Welten. Doch Tatsache bleibt: Die Energieeinsparverordnung (EnEV) ist keine Erfindung von radikalen Umweltaktivisten, sondern die Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht – und damit bindend. Es trifft sich gut, dass es Menschen gibt, die auf diesem dünnen Eis sicher stehen. Nicola Beck ist so eine Expertin. Sie leitet das 2008 eingerichtete EnergieBauZentrum im Harburger Elbcampus, dem Kompetenz- und Bildungszentrum der Handwerkskammer Hamburg. Das EnergieBauZentrum ist wiederum eines von drei Beratungszentren unter dem Dach des ZEWU (Zentrum für Energie-, Wasser- und Umwelttechnik) – dem ersten deutschen Umweltzentrum des Handwerks, das bereits 1985 in Harburg gegründet wurde. Mit Nicola Beck und ZEWU-Leiter Dr. Kai Hünemörder sprach Business & People über die Arbeit im EnergieBauZentrum.
- Sie haben im Keller eine Heizung, die vor dem 1. Januar 1985 eingebaut wurde? Dann sollten Sie dies wissen: Ab 2015 darf diese Heizung nicht mehr betrieben werden.
- Ihre Heizung ist am 2. Januar 1985 eingebaut worden? Dann sollten Sie dies wissen: Alle „neueren“ Kessel, die ab diesem Datum eingebaut wurden, dürfen nicht länger als 30 Jahre betrieben werden (Ausnahme: Niedertemperatur- und Brennwertkessel so-wie Anlagen mit weniger als vier oder mehr als 400 kW Leistung).
- Sie haben noch „nackte“ Heizungs- und Warmwasserrohre in Ihrem unbeheizten Keller? Dann sollten Sie dies wissen: Die Rohre müssen gedämmt, also gegen Wärmeverlust geschützt werden.
- Sie leben in einem Haus, dessen oberste Decke nicht isoliert ist? Dann sollten Sie dies wissen: Ab dem 31. Dezember 2015 schreibt das Gesetz einen Mindestwärmeschutz vor, den Hauseigentümer zu realisieren haben. Ob gedämmt werden muss, hängt von verschiedenen Faktoren und DIN-Normen ab – ein Fall für den Fachmann.
Politisches Thema von hohem Rang
Die eingangs aufgelisteten Vorgaben der EnEV verdeutlichen, dass Energieeinsparung ein politisches Thema von hohem Rang ist. De facto schließt sich dem Laien eine neue Welt auf, wenn er im EnergieBauZentrum auf die verschiedenen Möglichkeiten der Dämm-, Heiz- und Lüftungstechnik sowie die zur Verfügung stehenden Förderprogramme auf Bundes- und Landesebene Hamburg hingewiesen wird. Dem Themenkomplex Solartechnik ist sogar ein eigenes Beratungszentrum gewidmet. Kurz: Der Besucher, der eben noch meinte, mit dem Angesparten und einem günstigen Hypothekendarlehen eine 70er-Jahre-Immobilie erwerben zu können, sieht sich einem Dickicht aus Vorschriften und technischen Lösungen gegenüber.
„Wir geben keine Empfehlung“
Hier setzen Nicola Beck und ihr fünfköpfiges Team an. Wer sich über Technologien, gesetzliche Vorgaben und Fördermöglichkeiten informieren möchte, ist bei ihr richtig. Hünemörder: „Unsere Aufgabe ist Beratung, wir geben keine Empfehlungen. Die Möglichkeiten werden aufgezeigt und Sanierungsschritte nach Relevanz sinnvoll geordnet – aber am Ende muss jeder im vorgegebenen Rahmen selbst entscheiden, was er wie umsetzen will. Wir sind eine neutrale Instanz, führen also keine Beratung mit dem Ziel, Aufträge zu bekommen. Zudem ist unser Angebot kostenlos.“ Mehr als 90 Prozent der Befragten haben 2011 im Zuge einer Evaluierung die Beratungsleistung mit einer Eins (72 Prozent) oder einer Zwei bewertet.
Dass die Folgen der EnEV am Ende jedoch Geld kosten, dürfte jedem klar sein. Das beginnt schon beim Hamburger Energieausweis, den Hauseigentümer erstellen lassen sollten. Hier geht es um die energetische Bestandsaufnahme einer Immobilie. Daraus lassen sich wiederum technische Maßnahmen ableiten. Hünemörder: „Wer sich bei uns beraten lässt, bekommt ein Verständnis für Technik.“ Zahlreiche Modelle stehen im Elbcampus bereit, um dem Besucher plastisch vor Augen zu führen, wie beispielsweise ein Fenster montiert werden muss, ohne dass es Kältebrücken gibt. Eine Frage: Wie wird der Raum korrekt be- und entlüftet, wenn die neuen Fenster ganz dicht sind?
Hünemörder: „Darauf sollte der Handwerker eine Antwort haben. Wir wollen den Kunden bestärken, bei der Planung und beim Einbau genau hinzuschauen und den Beauftragten die richtigen Fragen zu stellen.“
Sanierungsfahrplan für den Kunden
Unbedingt hilfreich ist es, beim Sanieren die richtige Reihenfolge zu beachten. Das heißt: Erst dämmen, dann die Heizungsanlage konzipieren. Im EnergieBauZentrum bekommen Kunden einen Sanierungsfahrplan. Zu den 25 000 Beratungskunden, die seit 2008 das EnergieBauZentrum durchlaufen haben, zählen zwei Hauptgruppen: junge Familien, die ein altes Haus gekauft haben, und ältere Hauseigentümer, die ihre Immobilien noch einmal auf einen energetisch aktuellen Stand bringen wollen – beispielsweise, um den Erben keinen Sanierungsstau zu hinterlassen. Spätestens wenn die oben erwähnten Nachrüstverpflichtungen greifen, kann aus dem gut gemeinten Nachlass schnell eine „Nachlast“ werden.
Hünemörder verweist noch einmal auf den Energieausweis, der vorliegen muss, wenn ein Haus verkauft werden soll. Er sagt: „Die Botschaft nach so einer energetischen Analyse macht den Hauseigentümer vielleicht nicht gerade glücklich, aber wichtig ist, dass er weiß, wo er angreifbar ist.“ wb
• Handwerksbetriebe können die Ausstellung während der Öffnungszeiten kostenlos für ihre Kundengespräche nutzen.